Finden Sie was sie suchen...

Ikonen


Ikone

Das griechische Wort εικόνα, Ikone, meint mehr als einfach Bild. Ikonen sind in ihrer Entstehung und Technik zwar Bilder. Doch sie beziehen sich auf ein Ur-Bild, das sie nicht einfach nur abbilden wollen, sondern das sie vielmehr gegenwärtig machen.

Man kann sie vielleicht mit einem Foto eines geliebten Menschen vergleichen, das man in einem Medaillon an einer Halskette mit sich trägt, oder zwischen Ausweis und Kredit-Karte in der Brieftasche. Was man einem solchen Foto an Zuneigung entgegenbringt, welche Erinnerungen man damit verbindet – das bezieht sich auf die Person selbst, nicht aber auf das Fotopapier und die Farbe.

In dieser Weise sind es auch nicht die Ikonen selbst, denen besonders in der Liturgie der Ostkirchen Verehrung zukommt. Es sind vielmehr die dargestellten Personen und Ereignisse, die mit den Ikonen in der Liturgie und im Kirchenraum gegenwärtig sind.

Theologie in Farbe

Ikonen sind daher mehr als Bilder und Dekoration: Mit Farben und Gold, in meist einfachen Formen und Linien, festgelegten Gesten und Darstellungsformen wird in ihnen Theologie sichtbar, ja, nahezu greifbar.

Ikonen sind Theologie in Farbe, denn sie sprechen über Gott und Seine Geschichte mit den Menschen, über die Heilsereignisse in Jesus Christus, über die Heiligen des Alten und des Neuen Bundes bis in unsere Tage hinein.

Bestimmte Ikonen haben in unseren Klöstern einen festen Platz. Andere haben ihren Ort und ihre Zeit zu bestimmten Tagen und Festen.

In unserer Liturgie an beiden Orten spielen Ikonen eine wichtige Rolle. So findet der Besucher der Brotvermehrungskirche in Tabgha dort zwei große Ikonen der Stifter des ersten Klosters an diesem Ort. Die Mönche haben bei ihren Mahlzeiten im Refektorium des neuen Klosters ein großes Fresko des Besuchs der drei Männer bei Abraham vor Augen. Diese Ikone, die man als „Fremdenliebe“ (φιλοξενια) bezeichnet, erinnert einerseits an die Fremdenliebe des dreieinen Gottes, der uns zuerst geliebt hat, andererseits an unsere klösterliche Berufung, einander und besonders auch unsere Gäste in Liebe anzunehmen.

Auch in der Dormitio kann man Ikonen sehen. Während der Liturgie steht im Altarraum regelmäßig die Festtagsikone, die uns das Geheimnis, der wir feiern, vor Augen stellen möchte. Auch im Kloster gibt es an verschiedenen Stellen unterschiedliche Ikonen verschiedener Zeiten und Stile. Sie haben alle einen gemeinsamen Zweck: Sie wollen der inneren Sammlung dienen und uns dort, wo wir gerade sind, an die Gegenwart Gottes erinnern. In diesem Sinne sind Ikonen Erinnerungen an Gott und sichtbare Zeichen seiner Gegenwart.


Dormitio-Ikone I

Die Entschlafung der Gottesmutter. Es ist gewissermaßen unsere Hausikone: Um das Sterbebett Mariens stehen versammelt alle Apostel. Sie sind von ihren Missionsreisen und ihren Bischofsreisen wieder zurück nach Jerusalem gekommen, um in ihrer letzten Stunde bei Maria zu sein.

Die Seele Mariens, mehr noch: sie selbst, ist schon in Gestalt eines Babys in den Händen ihres göttlichen Sohnes. Einst trug sie Ihn auf den Armen, nun trägt Er sie zum Himmel. Es ist ein Bild für die Auferstehung. Es ist das Versprechen des Herrn, dass Er, der Auferstandene, auch uns wie Seine Mutter ins Ewige Leben geleiten wird.

Die Apostel sammeln sich genau in diesem Moment: Nach der Sendung in alle Welt mit dem Pfingstereignis, kommen sie nun zurück. – Jerusalem als Ort kirchlicher Sendung und Sammlung: Wie einst die Apostel so stehen heute wir Mönche und die Pilger aus aller Herren Länder Tag für Tag um die Figur der Gottesmutter in der Krypta, versammelt im Gebet.

Apostel von den Enden der Erde,
zusammengekommen hier im Orte Gethsemane:
beerdigt meinen Leib;
und Du, mein Sohn und Gott,
empfange meinen Geist.

(Apostoli Ot Konetz, aus dem Morgengottesdienst der orthodoxen Liturgie zum Fest der Entschlafung der Gottesgebärerin)


Zur Vertiefung:

„Das Entschlafen der Gottesmutter” – Eine Predigt unseres Ikonenmalers Pater Bernhard Maria Alter OSB zur „Dormitio-Ikone” (2005). ► Download der pdf-Datei.


Dormitio-Ikone II

Der heilige Benedikt hält Christus die Dormitio zum Segen hin. Unsere zweite Hausikone ist zum 100jährigen Kirchweih-Jubiläum der Dormitio im Jahr 2010 entstanden. Der heilige Benedikt hält ehrfurchtsvoll die Dormitio-Basilika Christus, dem Herrn, hin, damit er sie segne. Die Ikone ist zugleich Danksagung, Bitte und farbe-gewordene benediktinische Spiritualität:

Zuerst gilt es nach 100 Jahren bewegter Kirchen- und Klostergeschichte, dem Herrn Dank zu sagen, dass Er in all den Jahren immer wieder seine schützende und segnende Hand über die Dormitio gehalten hat.
Damit einher geht die Bitte, dass Er auch weiterhin mit Seinem Segen mit uns und über uns bleibe.
Beides erwächst schließlich aus einer benediktinischen Grundhaltung: Sieht man etwas gutes bei sich, es Gott zuschreiben, nicht sich selbst. (RB 4,42). – Nicht, dass Benedikt ein schlechtes Bild vom Menschen (bzw. vom Mönch) hätte. Im Gegenteil, er sieht seine Mönche sehr realistisch in ihren Chancen und ihren Grenzen. Doch Überheblichkeit und Egomanie helfen nicht, die eigenen Talente zu entfalten und Grenzen zu erkennen und anzunehmen. – Daher die Bitte um den Segen, damit der Mönch und das Kloster ihrerseits zum Segen werden können.

Ein zweiter Mose, gabst du deinen Söhnen
Weisung und Regel für den Weg des Lebens.
Was ihr Beruf sei, lehrtest du die Mönche:
Gott nur zu suchen.

Heiliger Vater, den der Herr gesegnet,
dem er die Krone ew'gen Lebens schenkte,
stärke uns Schwache, deinem Bild zu folgen
treu im Gehorsam!

(Aus dem Hymnus am Benediktsfest,
Benediktinisches Antiphonale III, Seite 474)


Zur Vertiefung:

„Benedictus – Gesegneter, um Segen zu werden: Benediktiner” – Eine Betrachtung unseres Ikonenmalers Pater Bernhard Maria Alter OSB zur „Jubiläums-Ikone” (2010). ► Download der pdf-Datei.


Anastasis – Auferstehung

Anastasis. Es ist der Beginn eine neuen Zeitrechnung. Gab es vorher noch einen Ort, wohin sich der Mensch vor seinem Schöpfer flüchten konnte, so gilt nun, was schon der Psalmbeter wusste: Stieg ich empor zum Himmel – du bist dort, / und legte ich mich nieder in der Unterwelt – du bist zugegen (Psalm 139).

Gott wird nicht nur Mensch und teilt als Mensch das Leben unter Menschen. Er nimmt schließlich auch noch den Tod auf sich: Die letzte und tiefste Einsamkeit, in die der Mensch stürzt, die aber schon mit jeder Sünde und mit jeder Lieblosigkeit beginnt, wenn sich der Mensch von seinem Schöpfer und von seinen Mitmenschen abwendet.

In Seinem Leiden und Sterben am Kreuz und in Seinem Hinabsteigen zu den Vätern und Müttern überwindet Christus unsere Trennung von Gott und von einander.
Und so ruft Er uns immer wieder zu, ruft uns heraus aus der Kälte und Einsamkeit von Sünde und Schuld, ruft uns zum Leben und streckt uns Seine heilende und rettende Hand entgegen.

Die Auferstehungs-Ikone stellen wir deshalb nicht nur zu Ostern auf, sondern an jedem Sonntag, dem ersten Tag der Woche [...], an dem Christus von den Toten erstanden ist (Drittes Hochgebet).

Halleluja!
Er hat sein Volk herausgeführt in Freude,
seine Erwählten in Jubel.
Halleluja, halleluja!

(Antiphon aus der Vesper zu Ostern,
Benediktinisches Antiphonale II, S. 134)


Zur Vertiefung:

„Osterglaube aus dem Schauen” – Eine Betrachtung unseres Ikonenmalers Pater Bernhard Maria Alter OSB zur „Anastasis-Ikone” (2005). ► Download der pdf-Datei.


Das Antlitz Christi

Das Antlitz Christi. Praktisch sehen wir uns mehrfach am Tag in die Augen. Denn diese sehr besondere Christus-Ikone befindet sich an einer der Stirnseiten des Kreuzgangs, direkt vor der Anbetungskapelle und mit Blick in Richtung Refektorium.

Mit diesem Bildtyp ist ein ganzer Legendenkranz verbunden um König Abgar von Edessa. Das Original ist demnach ein Tuch gewesen mit dem „ohne Hand gemalten Christus”, der Ver Icona, dem Schweißtuch der Veronika in der westlichen Tradition vergleichbar. Während Christus auf dem Schweißtuch aber die Dornenkrone trägt, blickt er auf dem Mandylion (Handtuch) frei und erhaben.

Es ist fast so, als würde Er an diesem Knotenpunkt im Kreuzgang auf uns aufpassen. Nicht als strenger Kontrolleur. Sondern mehr so, dass Er bei und bleiben will, dass Er vor allem uns daran erinnert, bei Ihm zu bleiben. – Dass wir uns nicht aus den Augen verlieren.

Von Gott kommt mir ein Freudenschein,
wenn du mich mit den Augen dein
gar freundlich tust anblicken.
Herr Jesu, du mein trautes Gut,
dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut
mich innerlich erquicken.
Nimm mich freundlich in dein Arme
und erbarme dich in Gnaden;
auf dein Wort komm ich geladen.

(Aus: Wie schön leuchtet der Morgenstern,
nach Philipp Nicolai (1599))


Benedikt von Nursia

Benedikt von Nursia. – Mönchsvater und Patron Europas. Im Kapitelsaal, wo wir von der kurzen Morgen- Besprechung bis zur Aufnahme eines Novizen bei verschiedenen Anlässen zusammenkommen, schaut unser Ordensvater, der heilige Benedikt, von der Wand.
Bestimmt und sicher schaut er. In der einen Hand den Stab des Hirten, in der anderen die aufgeschlagene Regel mit ihren ersten Worten: Obscula o fili...Höre, mein Sohn...
Hören ist ein Schlüsselbegriff benediktinischer Spiritualität. Nicht umsonst ist es schon das erste Wort der Benediktsregel.

In die Ohren der modernen Menschen, auch im Kloster, dringt wohl so manches. Aber zu unterscheiden, was davon wichtig ist, ist eine eigene Aufgabe. Und unter all dem zweifellos wichtigen auch noch das zu hören, was mich angeht, worauf ich antworten soll, was Gott mir zuruft oder zuflüstert, das ist eine weitere Herausforderung. – Das ist ein lebenslanger Lernprozess, den man (unter anderem) Kloster nennen kann.

Benedikt selbst sieht seine Regel daher auch nur als einen Anfang im klösterlichen Leben (Kapitel 73). Aber auch mit dem Anfang muss man anfangen.

Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters,
neige das Ohr deines Herzens,
nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an
und erfülle ihn durch die Tat!

(Beginn des Prologs der Benediktus-Regel)

Zur Vertiefung:

Text der Benediktus-Regel auf der Website der Benediktinerabtei Ettal.


Josepos von Tiberias

Josepos von Tiberias. Der Untertitel Tabgha-Gründer ist etwas irreführend. Denn wenn man einen Namen nennen müsste für den Gründer dieses Ortes, an dem es um das Hören auf das Wort Gottes, auf Sein großes Erbarmen mit den Menschen und auf das Brechen und Teilen des Brotes ankommt, dann wäre das ohne Zweifel Jesus von Nazareth.
Insofern passt es aber ganz gut, dass man die Ikone des Josepos von Tiberias auf den ersten Blick in der Brotvermehrungskirche nicht sieht. Man muss erst um die Christus-Ikone vor dem Altar herumgehen, um die Josepos-Ikone auf deren Rückseite zu entdecken.

Josepos war, so die Überlieferung stimmt, ein wohlhabender und einflussreicher Judenchrist, der in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts lebte. Kaiser Konstantin hatte ihm den Adelstitel eines Comes verliehen und ihm erlaubt, an verschiedenen Stellen Kirchen zu bauen. Bei der ersten Ausgrabung in Tabgha (1909/11) fand sich tatsächlich ein Basaltstein mit einer Widmung und dem Namen des Josepos. So hat man für die neue Kirche (1982) eine Ikone schaffen lassen mit Josepos mit einem kleinen Kirchlein in den Händen, das den gefundenen Grundrissen enstpricht.

Zwar ging der Josepos-Stein selbst wieder verloren, so dass wir heute nur eine Skizze von ihm haben. Aber auch so mag uns Josepos daran erinnern, dass es immer lohnt, nach den eigenen Wurzeln zu fragen, Dinge auch einmal zu umkreisen, um sie von mehreren Seiten zu betrachten.

Seine schützende Hand halte er über uns;
durch die Wirrsal der Zeit gebe er Weggeleit.
Bittend helfe er uns, dass wir vereint mit ihm
Bürger seien in Gottes Stadt.

(Aus dem Vesper-Hymnus für heilige Männer,
Benediktinisches Antiphonale III, Seite 408)


Martyrios von Jerusalem

Patriarch Martyrios von Jerusalem. Man könnte durchaus den Eindruck haben, dass manche Heilige Stätten im Heiligen Land eine Erfindung ausländischer Ordensleute und cleverer Reisebüros sind. Auch wenn das manches Mal vielleicht erschreckend nah an der historischen Wahrheit sein mag: Zuerst sind alle Heiligen Stätten Orte gelebten Zeugnisses und Glaubens von nahezu 2.000 Jahren christlicher Geschichte. Und damit sind sie Bestandteil der einen großen Ortskirche im Heiligen Land.
Einer ihrer Patriarchen heißt Martyrios, und er regierte in Jerusalem von 478 bis 486. Mit seinem Namen verbindet sich für Tabgha die Errichtung einer zweiten, größeren Kirchen- und Klosteranlage. Deshalb ist auch ihm eine Ikone in der Brotvermehrungskirche gewidmet.

Wie seinen Nachbarn Josepos von Tiberias muss man auch den Patriarchen suchen, denn seine Ikone ist auf der Rückseite der Marien-Ikone angebracht. Damit blicken beide auf den Altarraum, wo wir uns Tag für Tag zum Stundengebet und zur Eucharistiefeier versammeln, und sind damit Teil der Betenden um den verehrten Felsen der Wunderbaren Brotvermehrung.

Das ist vielleicht eine der wichtigsten Botschaften des Josepos an unsere Kleinstgemeinde am See Genezareth: Ihr seid Teil der Ortskirche. Das wart ihr schon immer. Aber ihr wart auch schon immer ein Ort für christliche Pilger aus aller Welt. Im Dienst der Kirche des Heiligen Landes. Im Dienst des Herrn selbst.

Selig, wem Christus auf dem Weg begegnet,
um ihn zu rufen, alles zu verlassen,
sein Kreuz zu tragen und in seiner Kirche
für ihn zu wirken.

(Aus dem Laudes-Hymnus für Mönche,
Benediktinisches Antiphonale I, Seite 774)