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Paradiesstaub
26. Februar 2023
„Diesen Menschen kennen wir alle! Man findet ihn unter anderem auf vielen Krankenkassenkarten und auf der Rückseite der italienischen 1-Euro-Münze; er ist populär, faszinierend und vielfach kopiert – der Vitruvianische Mensch, Leonardo da Vincis berühmteste Zeichnung. In idealisierten Proportionen ist ein Mann in zwei sich überlagerten Positionen dargestellt. Die Zeichnung zeigt ein und denselben Mann mit ausgestreckten Armen und Beinen, wie er mit den Fingerspitzen und den Fußsohlen ein ihn umgebendes Quadrat und zugleich einen Kreis berührt. Der römische Architekt Vitruv hatte in der Antike die Theorie des wohlgeformten Menschen mit einem idealen Verhältnis der Körperteile zueinander erstmals beschrieben.
Auch in der alttestamentlichen Lesung des Ersten Fastensonntags, im zweiten Kapitel der Genesis, ist von einem wohlgeformten Menschen die Rede. Adam, der erste Mensch: Bild Gottes, unsterblich, ohne Sünde und in ungebrochener Gemeinschaft – der Mensch im paradiesischen Zustand. Doch durch den Ungehorsam gegenüber Gott wird dieser ‚ideale‘ Mensch aus dem Paradies verstoßen. Der erste Mensch wird zu einem Sünder. Er wird in dem Moment, in dem glaubt, dass er ohne Gott leben kann, zu einem in-sich-gekrümmten Menschen. Gebrechlichkeit und Sterblichkeit werden fortan das menschliche Aussehen prägen. Der Mensch erkennt seine bösen Taten und seine Sünde steht ihm immer vor Augen.
‚Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod‘, schreibt Paulus und beschreibt damit die menschliche Existenz außerhalb des Paradieses. Und er zeigt die große heilsgeschichtliche Linie auf, ja das Drama von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen: ‚Sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht durch die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden.‘ Führte der Ungehorsam Adams zum Tod, so hat der Gehorsam des zweiten Adams für alle den Weg zur Gemeinschaft mit Gott wiedereröffnet. Der Weg des Lebens, der ins Paradis führt, ist sozusagen wieder freigeräumt.
Der ideale, maßgebliche Mensch ist für Paulus nicht Adam, sondern Jesus Christus. Und tatsächlich hält der Gottessohn den Versuchungen des Teufels stand. Zweimal sagt dieser Widersacher in den drei Versuchungen, denen er Jesus Christus aussetzt: ‚Wenn Du Gottes Sohn bist, dann…‘ Es sind die gleichen Worte, die der Spötter Jesus am Kreuz zuruft: ‚Wenn du der Sohn Gottes bist, dann steig doch herab vom Kreuz.‘ Doch der zweite Adam lebt nicht, um seine Macht zu demonstrieren, sondern um Gott zu dienen. Jesus Christus sündigt nicht.
Wir wissen nur allzu gut selbst, dass wir nicht gerade wohlgeformte Menschen sind, dass wir mit unseren Ecken und Kanten überall anstoßen. Wir passen nicht wie der Vitruvianische Mensch in idealer Weise in vorgefertigte Muster. Für uns ist Jesus der maßgebliche Mensch, an ihm nehmen wir immer wieder Maß und zusammen mit ihm beten wir zu unserem Vater im Himmel: ‚…führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.‘
Als Menschen sind wir Staub und zu Staub kehren wir wieder zurück. Wir sind nicht perfekt, sondern schwach und vergänglich! Adam wurde aus dem Staub des Erdbodens geformt – doch der Mensch ist trotz aller Hinfälligkeit aus dem Staub des Paradieses geformt. Wir sind aus Paradiesesstaub – und als Getaufte wurde in uns der maßgebliche, ideale Mensch und Gottessohn Jesus Christus eingeprägt. Er, der ideale Mensch ist unser Wegbegleiter. Möge er uns durch die Fastenzeit führen und uns den Weg in paradiesische Zustände weisen!“
Pater Simeon und alle Brüder auf dem Zion und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!
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Ein Hauch von Realität?
19. Februar 2023
„Noch einmal die Bergpredigt: herausfordernde und bekannte Worte, irgendwie so fern von allen Regeln dieser Welt. Wie geht es den Menschen in der Ukraine, in Syrien, in Israel und Palästina und in anderen Brennpunkten dieser Welt gerade jetzt, wenn sie diese Worte hören: ‚Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen?‘ Ist in diesen Worten auch nur ein Hauch von Realität? Und wie geht es mir mit der Radikalität Jesu? Ist in meinem Leben etwas davon umsetzbar? In dem heutigen Evangelium gibt es für uns mehr Fragen als Antworten. Die Worte der Bergpredigt eine Zumutung.
Jesus bestätigt mit seinem ‚Ich aber sage euch‘ die Überlieferung der hebräischen Bibel, ja, er radikalisiert und verschärft sie - das ist seine Reich Gottes Botschaft für seine Jüngerinnen und Jünger und auch für uns. Das Überlieferte ist Gebot Gottes und soll uns helfen, miteinander in Frieden zu leben. Manche Forderungen Jesu sind bewusst provozierend, wenn er zum Beispiel sagt: ‚Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen.‘ Jesus will uns herausfordern, seinen Weg mitzugehen und seine Überzeugung zu teilen und lebbar zu machen. Ich finde die Vorstellung beeindruckend, dass ein Mensch damit wirklich ernst macht, sogar wenn es um Leben und Tod geht. Gerade weil wir am Leben hängen, wissen wir, wie schwierig das ist. Wenn jemand die Haltung Jesu umsetzt, zeigt er, dass er davon überzeugt ist, dass es für Gottes Liebe keine Grenzen gibt. Maßstab unseres Handelns soll die Barmherzigkeit Gottes sein, nicht einmal der Hass der anderen kann Gottes Liebe dann aufhalten.
Manche von uns werden sich an den Terroranschlag von Paris am 13. November 2015 erinnern. Bei den Terroranschlägen im Bataclan wurde Helene, die Frau von Antoine Leiris getötet. In einem offenen Brief auf Facebook wendete sich Antoine wenige Tage später an die Täter: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht. Ich weiß nicht, wer ihr seid, und ich will es nicht wissen, ihr seid tote Seelen. Wenn Gott, für den ihr blind tötet, uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann muss jede Kugel, die den Körper meiner Frau getroffen hat, eine Wunde in sein Herz gerissen haben. Nein, ich werde euch nicht das Geschenk machen, euch zu hassen. Auch wenn ihr es darauf angelegt habt; auf den Hass mit Wut zu antworten, würde bedeuten, derselben Ignoranz nachzugeben, die euch zu dem gemacht hat, was ihr seid. Meinen Hass bekommt ihr nicht“. Dieses Zeugnis geht unter die Haut. Ich weiß nicht, ob Antoine Leiris ein Christ ist, aber er ist für mich ein Vorbild. Er zeigt, dass es möglich ist, was Jesus fordert, und er setzt es konkret um.
Hass und Gewalt sollen nicht eskalieren, sondern eingedämmt werden. Die Verhältnismäßigkeit soll gewahrt werden. Das hat viel mit einer vernünftigen Sicht auf den Menschen und auf die Realitäten dieser Welt zu tun. „Auge für Auge“ sagt nichts anderes, als dass Gewalt nicht zur Katastrophe werden und zum Untergang führen darf. Hört das einer, der sich Christ nennt und schon über ein Jahr einen radikalen Angriffskrieg austrägt, ohne irgendeine Bereitschaft zu zeigen, diesem Morden und Zerstören ein Ende zu bereiten? Die Herausforderungen Jesu sind das eine, aber die Annahme und der Versuch einer Umsetzung, das ist der Knackpunk.
Feindesliebe bedeutet gewiss nicht, sich anzubiedern oder zu unterwerfen; es heißt gewiss nicht Grausamkeit hinzunehmen, ohne sich zu wehren und den Verfolgten zur Seite zu stehen. Aber es bedeutet zu sehen, dass auch unsere Feinde Menschen sind wie wir: fehlerhaft, verängstigt, irrend, gebunden an Interessen und Vorurteilen.
Um uns herum tobt eine Welt, die von Krieg und Tyrannei, von Hass und Elend gezeichnet ist. Wir wollen eine andere Welt. Wir wissen, dass Gott uns eine andere Welt bereithält. Und dazu brauchen wir die prophetischen Worte Jesu. Sie sollen uns im Herzen treffen. Die Worte von der radikalen Feindesliebe haben einen Ankerpunkt – und das ist das Leben und Sterben Jesu selbst. An ihm sehen wir, dass er mit seiner bedingungslosen Hingabe an die Welt und ihren Realitäten die Absicht Gottes für uns Menschen zur Vollendung gebracht hat. Als Christen haben wir uns auf diesen Weg eingelassen. Wir sind keiner Illusion verfallen, sondern glauben an die Stärke der Macht der Liebe, die den Hass überwindet.“
Pater Jonas und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!
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Der Weg des Gesetzes
14. Februar 2023
„Wer Gebote verschärft, macht sich unbeliebt. Wer Gebote lockert, scheint Lebensfreude und Toleranz auszustrahlen und hat schnell viele auf seiner Seite. Unangenehm wird es, wenn das Mehr oder Weniger an Radikalität und Ernsthaftigkeit zum Instrument des Konkurrenzkampfes wird – zum Beispiel bei Konfessionen.
Dann bedient sich der Menschen gemeinhin lieber dort, wo es einfacher ist, wo es nicht so streng zugeht und wo man nicht auf viele Gebote und Regeln trifft. Dies gilt nicht in Politik und Religion, sondern zum Beispiel auch für die Leitung eines Klosters: Soll unser neuer Abt die Regeln des Klosters lockern, damit das Klosterleben an den heutigen Lebensrhythmus besser angepasst ist oder soll er die Regeln eher verschärfen, damit das klösterliche Zeugnis besser zum Strahlen kommt?
Wie kein zweiter Evangelist unterstreicht Matthäus im heutigen Abschnitt aus der Bergpredigt die Treue Jesu zu dem Gesetz, der Thora. Scheinbar legt Jesus die moralischen Hürden höher, verschärft das Gesetz: Ihr habt gehört … ich aber sage Euch!
Jesus ist hier sehr ‚bibeltreu‘, denn er verlangt eine uneingeschränkte Ehrfurcht vor dem Gesetz und den Propheten. Die biblischen Weisungen konkretisieren den Willen Gottes – und sie übersetzen ihn in die verschiedenen Lebensbereiche. In seiner Interpretation bewegt sich Jesus ganz im Rahmen der jüdischen Auslegungstradition. Er will zur Geltung bringen, dass das Gesetz auf die Entfaltung des Lebens zielt, der Förderung des Lebens.
Das biblische Gesetz ist eher Weisung als Verbot! - Weisung für mein eigenes Denken und Handeln. Die Frage ist nämlich nicht: Was ist noch erlaubt?, sondern vielmehr: Was ist schon geboten? Es geht um die 'größere Gerechtigkeit', nicht um Buchstaben-gerechtigkeit, nicht um das äußere, formale Erfüllen von Ehrlichkeit und Barmherzigkeit. Maßloses Wohlwollen, aktive Versöhnungsbereitschaft, unbedingtes Vertrauen in den anderen und auf Absicherungsmittel verzichtende, umfassende Wahrhaftigkeit – darum geht es ihm.
Nicht erst mit der Tat, sondern schon viel früher fängt das Problem an: die Motive, die Gedanken und die Geisteshaltungen sind die Wurzeln für das Verhalten, das Leben schädigt und zerstört. Gedanken und Motive sind an sich jedoch keine Straftat, niemand kann und will Gedanken und Einstellungen an sich schon juristisch verfolgen. Die Gedanken sind frei – so heißt es in einem Lied. Aber mit den schlechten Gedanken fängt meist das Unheil an.
Nur ich selbst, ich persönlich kann darauf achten, kann mein Gewissen schulen, achtsam sein für die schlechten Gedanken, die sich bei mir einschleichen und festsetzen. Nur ich selbst kann darauf achten, worauf sich meine Gedanken gerne fokussieren wollen, ich selbst bin der Türhüter gegen schlechte Gedanken und Einredungen.
Jesus ist gehorsamer Jude und er unterwirft sich dem Gesetz. So macht er deutlich, dass Veränderung nicht mit der Abschaffung von Normen und Riten beginnt. Nein, jede Veränderung nimmt ihren Anfang ganz tief drinnen, im Herzen, dem Gemüt, der Grund-Einstellung eines Menschen. Jede Veränderung bedeutet zunächst einmal Geduld und Gehorsam. Nur über die Erfüllung des Willen Gottes, nicht über die Abschaffung von Statuten und Vorschriften geht der Weg in den Himmel.“
Pater Elias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!
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Salz der Erde und Licht der Welt sind...
5. Februar 2023
„‘Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt‘, diese Worte Jesu stehen im Evangelium des Matthäus direkt nach den Seligpreisungen. Dies bedeutet, dass diejenigen das Salz der Erde und das Licht der Welt sind, die sich die Seligpreisungen als Prinzip und Inhalt ihres Lebens zu Herzen nehmen.
In den Seligpreisungen spricht Jesus zu denen, die arm vor Gott sind und sich somit nicht an materielle Werte binden. Er spricht zu den Sanftmütigen, die nicht unglücklich sind über den Mangel an Ansehen und Reklame für ihre Person. Er spricht zu all jenen, die so gewöhnlich sind wie Brot und so unmerklich wie die Luft. Er spricht zu Menschen, die von Unglück und Leid getroffen sind, aber vielleicht gerade aufgrund ihres Schmerzes weiter sehen, besser hören und mehr verstehen. Er spricht zu denen, die nach Gerechtigkeit streben und denen nicht alles egal ist. Jesus wendet sich an die Barmherzigen, die fähig sind, anderen zu helfen, auch wenn dies nicht aus ihrem eigenen Interesse heraus geschieht. Er spricht zu den Mutigen, denn es erfordert Mut, sowohl in Zeiten des Krieges als auch in Zeiten des Friedens, rechtschaffend und würdevoll zu leben. Jesus spricht zu denen, die die Wahrheit brauchen, um zu leben; zu Menschen, die reinen Herzens sind, die Lüge und Falschheit nicht mögen, und zu Menschen, die wegen ihres Engagements für Gerechtigkeit belächelt oder gar verfolgt werden.
Diese Menschen sind das Salz der Erde und das Licht der Welt. Wir könnten fragen: Sind das nicht zu große Worte? Leben wir heute so?
Lassen wir uns auf ein Experiment ein, machen wir ein Spiel der Phantasie: Nehmen wir an, dass es unter uns keine solchen Menschen mehr gäbe. Es gäbe niemanden mehr, der bereit wäre, seinen Kopf für die Gerechtigkeit und die Wahrheit hinzuhalten. Stellen wir uns vor, dass es keine barmherzigen Menschen mehr gäbe. Es gäbe niemanden, der nicht gekauft werden könnte. Wäre eine solche Welt lebenswert? Sehnt sich der Mensch nach einer solchen Welt und einem solchen Leben?
Wenn eine Welt ohne diese Menschen, die von Jesus seliggepriesen werden, wirklich existieren würde, wäre es für uns sehr schwierig zu leben. Sind also die Armen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen nicht wirklich das Salz der Erde, das heißt, etwas, das den Dingen Geschmack verleiht und vor Geschmacklosigkeit schützt? Machen nicht diejenigen, die barmherzig, gerecht und sanftmütig leben, unserer Welt heller?
Auch heute brauchen wir dieses Salz und dieses Licht, um noch besser füreinander da zu sein, um uns gegenseitig Hoffnung auf ein besseres Leben zu geben und um unseren Glauben an das Gute und die Wahrheit zu stärken. Ihr seid das Salz der Erde, Ihr seid das Licht der Welt!“
Pater Efrem und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!
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"Auf, mir nach!"
22. Januar 2023
„Beim ersten Hören des heutigen Evangeliums könnte man denken: Der Evangelist Matthäus berichtet, wie Jesus am See Genezareth Männer vom Fischfang wegruft, damit sie künftig Menschen fangen, um sie in das Schiff der Kirche einzuholen. Doch von einem besonderen Auftrag für Petrus und seine Kollegen ist hier nicht die Rede. Erst später, in Matthäus 10, spricht der Evangelist von der Berufung des Petrus und der anderen Apostel und ihrer Aussendung mit einem besonderen Auftrag.
Heute im Evangelium geht es um die Jüngerschaft, die jeden angeht, der sich von Jesus rufen lässt. Das Leben des Jüngers muss sich ändern, er oder sie muss der Güte und Menschenfreundlichkeit Jesu Raum geben. Denn in ihm ist die Gottesherrschaft nahegekommen.
Sicher waren Petrus und sein Bruder Andreas, Johannes und sein Bruder Jakobus bei ihrer Arbeit am See dem Prediger Jesus schon begegnet. Vielleicht hatten sie erlebt wie Jesus die Menschen an sich zieht und in seinen Bann zieht. In Petrus und seinen Berufskollegen war schon eine innere Sehnsucht gewachsen, so dass Jesu Ruf ‚Auf, mir nach!‘ auf fruchtbaren Boden fällt und sie alles stehen und liegen lassen, um ein anderes, neues Leben zu beginnen. Mit ihnen beginnt Jesus seine Sammlungsbewegung; das ist der Anfang des neuen Gottesvolkes. Die Jünger müssen zuerst ein neues Miteinander in Gemeinschaft mit Jesus erfahren, wo nicht mehr Menschen über Menschen herrschen, sondern alle Schwestern und Brüder und Kinder des himmlischen Vaters: Das Reich Gottes ist nahe!
‚Auf, mir nach!‘ – Jesu Ruf gilt uns allen! Jede und jeder von uns, mich eingeschlossen, sollen in die Fußstapfen Jesu treten – je nach unseren individuellen Möglichkeiten. Für diesen Ruf gibt es keine Stimme, die vom Himmel fällt. – Es waren Menschen, einfache, aber überzeugte Christen, die mir den Weg zu Jesus gezeigt haben. Ich denke an meine Eltern, den offenen und freundlichen Pfarrer in meiner Kinder- und Jugendzeit, und Josef Maria Reuss, der Regens des Mainzer Priesterseminars, der uns Primanern Exerzitien gab. So stand ich eines Tages vor der Frage meines Vaters: ‚Was willst du eigentlich aus deinem Leben machen, was willst du denn nach dem Abitur studieren?“
Petrus und seine Gefährten sahen an ihrem Arbeitsplatz einen Menschen, diesen Jesus von Nazareth, der sich zunächst in nichts von ihnen unterschied. Aber er sprach in einer einmaligen Weise von Gott, seinem Vater, der der Herr seines Lebens war, der auch der Herr ihres Lebens sein sollte. Als gläubige Juden hatten sie das in ihren Gebeten schon gehört. Aber jetzt steht dieser Jesus vor ihnen, der das in seinem Leben verkörpert. Darum folgen sie seinem Ruf. Sie gehen das Wagnis ein, ihr bisheriges Leben aufzugeben und ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. So fangen sie an, zu verstehen und zu begreifen, wie das aussieht: ein Leben unter der Herrschaft Gottes. – Und erst mit ihrer Erfahrung vom Leiden und dem Kreuzestod Jesu und seiner Auferstehung kommt dieser Lernprozess an ein Etappenziel. ‚Auf, mir nach!‘, dieser Ruf Jesu an uns, an mich, schließt unser ganzes Leben ein, erst im Tod kommt er ans Ziel!“
Pater Zacharias und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!
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Seht, das Lamm Gottes!
15. Januar 2023
„‘Seht, das Lamm Gottes!‘ Unzählige Male haben wir diese Worte schon gehört, gesprochen oder gesungen. Ist dieses Bekenntnis für uns zu einer Formel erstarrt? ‚Lamm Gottes‘, klingt das uns nicht zugleich auch sehr fremd? Wir wundern uns, wenn wir versuchen eine Ähnlichkeit, eine Verbindung zwischen dem Jesus unseres Glaubens und diesen possierlichen Tieren zu sehen, die man im Frühjahr hier und da noch auf einer Schafweide herumspringen sieht.
‚Lamm Gottes‘ ist ein Hoheitstitel, mit dem die junge Kirche versuchte zu verstehen, was es mit diesem Jesus auf sich hat. Die ersten Christen blickten auf das jüdische Pessach, auf das Lamm, das am Vorabend des Auszugs der Israeliten aus Ägypten geopfert und verzehrt wird. Das Blut des Lammes, an die Türrahmen der Hebräer gestrichen, schützte sie vor der Vernichtung durch den vorübergehenden Engel Gottes. Die ersten Christen deuteten Jesus von seinem ersten Auftreten an als denjenigen, der sein Blut hingibt, um alle zu befreien, die verstrickt sind in die Sünde der Welt und die drohen unwiederbringlich in ihr unterzugehen. So ist es verständlich, dass auch der Evangelist Johannes bei der Darstellung des ersten öffentlichen Auftretens Jesu unseren Blick auf das Ende Jesu während des Paschafestes lenkt: ‚Seht, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt!‘
Doch wenn Gott wirklich Liebe ist, kann es dann sein, dass er mit dem Tod Jesu, des Opferlammes, versöhnt und befriedigt werden muss? Nehmen wir nicht zu Recht Anstoß an der schier unerträglichen Passivität eines Losers, wenn in der Apostelgeschichte zur Deutung des Schicksals Jesu der Prophet Jesaja zitiert wird? – ‚Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf vor seinen Scherern verstummt, so tat auch er seinen Mund nicht auf.‘
Jesus hat sich frei und souverän in die Hände von Menschen gegeben: ‚Niemand entreißt mir mein Leben, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen.‘ Wenn er sein Leben hingibt, dann, um es auf ewig gewandelt zurückzunehmen. Und beim Abendmahl im Obergemach ist es Jesus selbst, das Lamm, das geschlachtet werden soll, der seinen Freunden sein Blut zu trinken gibt. Es sind nicht mehr Türrahmen, die mit Blut bestrichen und markiert werden. Hier nehmen die Freunde Jesu – und dürfen wir uns nicht auch so bezeichnen? - das vergossene Blut innerlich auf. Es wird ihr und unser Blut. Blut ist Leben und Sitz der Seele. Wir leben das Leben des Lammes.
Die Menschen, die zu Johannes dem Täufer kamen, dachten vielleicht, dass sie mit der Taufe im Jordan am Ende ihrer Reise, am Ende ihres Bekehrungsweges angekommen sind. Aber Johannes verweist sie mit Nachdruck auf einen geheimnisvoll Anderen, der ihm voraus ist, weil er vor ihm war; sowohl Vergangenheit als auch Zukunft; sowohl Anfang als auch Ende, Alpha und Omega. Johannes der Täufer ist die Gegenwart, das Jetzt, das nur ein Durchgangsort sein kann. Einige Zuhörer des Johannes werden Jesus nachfolgen - vielleicht in der Hoffnung, dass sie bei ihm ans Ziel ihrer Reise angekommen sind. Aber Jesus wird sie ohne Unterlass auf die Straßen des heiligen Landes führen, und wenn sie ihn bis zu seinem Tod begleitet haben werden, dann geht es für sie hinaus bis an die Enden der Erde - eine Reise, ein Weg, der kein Ende in dieser Welt kennt. Ihr und unser Berufungsweg ist schon jetzt; und gleichzeitig noch nicht. Das letzte Wort ihrer und unserer Geschichte hat ein Anderer.
Wir wollen daher mit unseren Gewissheiten, unseren Gewohnheiten, unseren Überzeugungen und Urteilen vorsichtig sein. Bleiben wir doch offen für ein Anderswo, für einen ganz Anderen, für Christus, der unsere Sehnsucht ist, von dem wir aber wie Johannes der Täufer gleichzeitig bekennen müssen: ‚Ich kannte ihn nicht.‘ Unsere Sehnsucht ist mit der Hoffnung verbunden, dass wir ihn eines Tages mit Gewissheit kennen werden. Hier und jetzt sind wir auf dem Weg. Wir dürfen gewiss sein, dass er schon da ist, dass er selbst der Ursprung für unsere Sehnsucht und unsere Hoffnung ist.“
Pater Josef und alle Brüder in Tabgha und in Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!
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Dienstantritt
8. Januar 2023
„In unseren Familien gehören die Feiern der Taufe von Neugeborenen zu den sehr schönen und frohen Festen. Uns erfüllt Dankbarkeit für die Geburt eines Kindes; diesen Dank geben wir als gläubige Menschen an Gott weiter und zugleich bitten wir ihn um seinen Segen für das neue und noch ganz zarte Leben. Die Taufe des Herrn, die wir heute feiern, ist keine Kindertaufe. Es ist nicht der neugeborene Knabe aus Betlehems Stall, der hier getauft wird. Jesus, der Erwachsene, schon lebenserfahrene und mit der Welt vertraute Mann aus Galiläa kommt an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. ‚Für Jesus bedeutet diese Taufe eine Art Berufsweihe‘, heißt es im Impuls zum heutigen Hochfest im Schott.
Die heutige, zweite Lesung aus der Apostelgeschichte erinnert die Taufe Jesu ganz in diesem Sinne als Indienstnahme: ‚Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.‘ Man könnte mit der Vigil-Antiphon auch sagen: Jesus wird durch seine Taufe ‚gesalbt zum Werk der Erlösung‘. Als Jesus getauft wurde, tat sich der Himmel auf, der Geist Gottes kam auf ihn herab, und die Stimme aus dem Himmel bezeugte Jesus als den Gesalbten, den Messias, als den geliebten Sohn: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.‘
Berufsweihe, Amtsantritt, Salbung, Erwählung, Indienstnahme – die Not der Welt, das Leid der Menschen, durch seine hingebende Liebe zu verwandeln, das ist Jesu Dienst. Wir glauben, dass sich in seiner Taufe das Gotteswort erfüllt ist, das im Buch des Propheten Jesaja überliefert ist: ‚Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht.“
Kenosis, Erniedrigung, Sanftmut, aufopfernde Liebe ist Jesu Dienst als Gottes Knecht, als Gottes geliebter Sohn. ‚Er schreit nicht und lärmt nicht‘ - würdevoll verkündet er die Menschenfreundlichkeit Gottes! Er ‚lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen‘ - sein Stil ist nicht marktschreierisch und populistisch! ‚Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus‘ - er achtet und schätzt wert auch das noch so Kleine und Geringe; er richtet auf und macht groß! ‚Ja, er bringt wirklich das Recht“ - es geht um die Wahrheit; er zeigt und benennt was gut und böse ist; klar ist sein Urteil; und doch bleibt er immer nachsichtig, dem Wohl und Heil des Menschen verpflichtet!
Gott sucht nicht irgendeinen ‚Dummen‘, der für ihn den Knechtsdienst leistet, der den Preis bezahlt und sein Leben hingibt; nein, er macht es selbst! Bei der Taufe im Jordan wird es offenbar: „Gott wurde Mensch, er entäußerte sich, wurde selbst zum Knecht. Er erniedrigte sich bis zum Tod am Kreuz“, wie es uns der Philipper-Hymnus lehrt. Gott wird Mensch, um uns die Augen zu öffnen und uns herauszuholen aus den oft selbst gemachten Kerkern. Er ist Mensch geworden, um uns aus der Dunkelheit zum wahren Licht zu führen.
Der Mann aus Galiläa, der sich von Johannes im Jordan taufen ließ, ist Gottes geliebter Sohn, Gott selbst, der zu unserem Heil Knechtsgestalt annahm, damit wir im Glauben an das große Geschenk der Erlösung unseren Lebensweg auf Erden gehen und selbst als Getaufte immer mehr bereit sind Knechte Gottes zu sein. Lasst uns als wahre Kinder Gottes leben! Amen.“
Pater Matthias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!
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Der Mensch braucht Frieden
31. Dezember 2022
„Heute, in den ersten Stunden des neuen Jahres, hören wir besonders zärtliche und sorgensame Worte: ‚Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.‘ Gestern, in der Silvesternacht, haben die Menschen auf der ganzen Welt gefeiert. Doch nach der Explosion der Neujahrsfreude, dem gemeinsamen Spaß und der schlaflosen Nacht kommt immer der Wunsch nach Ruhe und Frieden. Aber gibt es - nach den großen Feiern in der Welt - wirklich mehr Ruhe und Frieden im Menschen?
Die Unruhe, die die Welt und unser Leben mit sich bringen, kann nicht - in einer einzigen Neujahrsnacht - zum Schweigen gebracht werden. Am nächsten Tag hat sich die Welt nicht viel verändert .... Überall um uns herum ist - wie in den vergangenen Tagen und Jahren - viel Unruhe geblieben .... Einige sorgen sich im neuen Jahr um Arbeit und Gesundheit, andere sind besorgt um ihre Zukunft. Viele sorgen sich wegen der Politik und der Kriege, die niemand mehr versteht. Deshalb ist es gut, dass die Kirche uns seit vielen Jahren ermutigt, am ersten Tag des neuen Jahres - für den Frieden zu beten. Am ersten Januar feiert die Kirche das Hochfest der Gottesmutter Maria - der Königin des Friedens.
Der Mensch braucht Frieden, um zu lieben und um sich um seine Familie und seine Kinder zu kümmern. Der Mensch braucht Frieden, um friedlich einzuschlafen und aufzuwachen. Der Mensch braucht Frieden, um zur Arbeit zu gehen oder um zu feiern.
Die Gottesmutter bringt uns heute Jesus, den Friedensfürst, bei dessen Geburt die Engel gesungen haben: ‚Ehre sei Gott in der Höhe / und Friede auf Erden / den Menschen seines Wohlgefallens.‘ Wir brauchen Frieden in unserem Leben, aber wir müssen auch anderen Frieden schenken. Wir müssen mit unseren Worten anderen Frieden bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Beziehungen und Emotionen anderen ein Sicherheitsgefühl vermitteln. Also ist es notwendig, dass unsere Art, auf andere zu schauen, unsere Witze, unsere Arbeit und unsere Erholung - Frieden und Sicherheit in unsere Herzen und Häuser bringen können. Deshalb ist es in diesen unruhigen Zeiten gut und sinnvoll, Jesus, den Friedensfürst, den uns die heilige Mutter Gottes heute bringt, im Glauben in unser Herz aufzunehmen. Echten Frieden kann weder die beste Silvesterparty noch eine Versicherungspolice bieten. Der Friede des Herzens kommt aus dem Glauben an Gott, der stärker ist als jede Bedrohung oder Gefahr.
Mögen wir uns im neuen Jahr 2023 mit den Worten, die uns heute von Mose gegeben sind, wünschen: ‚Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.‘ Amen!”
Pater Efrem und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch ein schönes Hochfest der Gottesmutter Maria, der Königin des Friedens - und alles Gute für 2023!
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Frieden auf Erden!
24. Dezember 2022
"Liebe Schwestern und Brüder!
Dass ich Euch und Sie als meine Brüder und Schwestern anrede, hängt mit der Botschaft dieser Nacht und unseres Christseins zusammen. Durch die Geburt des Menschenkindes in Betlehem sind wir alle durch Krippe, aber auch durch Kreuz und Auferstehung Schwestern und Brüder geworden – allen menschlichen Grenzen zum Trotz! Und die Weihnachtsbotschaft, die die Engel verkünden, gilt uns allen, liebe Brüder und Schwestern, die wir uns in diesem Jahr, wie schon lange nicht mehr, nach Frieden sehnen: ‚Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.‘
In all den vergangenen Jahren standen vermutlich eher persönliche Wünsche und Sehnsüchte im Vordergrund, die ihre Berechtigung ja auch in diesem Jahr nicht verloren haben: wie Bitte um Gesundheit, Sorgen um das eigene Wohlergehen sowie auch das der Eltern, der Kinder und der Freunde. Aber in diesem Jahr hat sich unser Blickwinkel geweitet und wir verstehen und erleben viel intensiver, dass die Weihnachtsbotschaft eine universale ist: Frieden auf Erden!
Durch die Ereignisse des zurückliegenden Jahres – und hier steht für mich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Vordergrund – bekommt unsere Weihnachtsfeier mit guten Wünschen und Geschenken eine andere Tiefe und eine neue Perspektive. Wir dürfen Weihnachten nicht feiern ohne an die Not, Vertreibung, Zerstörung und den Tod unzähliger Menschen zu erinnern. Ein ukrainischer Christ schreibt in seinem Gruß: „Vielleicht ist das Licht einer Kerze die einzige Licht- und Wärmequelle an diesem Weihnachtsfest.“
Der Traum und die Botschaft der Propheten, der mit der Geburt Jesu zur Welt kommt, gewinnen an Dringlichkeit und Intensität. ‚Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht.‘ Die Weihnachtsbotschaft pflanzt eine Sehnsucht in unsere Herzen, die sich nicht mit vordergründigen Lösungen zufriedengibt. Die Weihnachtsbotschaft ist keine Vertröstung auf ein Irgendwann, sondern sie setzt jetzt auf die Kraft der Hoffnung, die sich niemals einschüchtern lässt. In den aktuellen Nachrichten aus dem Krieg in der Ukraine gehen mir immer wieder besonders die Worte von Jung und Alt, die trotz Zerstörung und Entbehrungen, Kälte und Hunger vom Wiederaufbau sprechen und ihre Hoffnung auf Zukunft in der Ukraine nicht aufgeben, zu Herzen. Die Kraft der Veränderung wächst von unten. Sie gründet in einem Gottvertrauen, das konkrete Schritte nicht aufschiebt – aber sich zugleich der Vorläufigkeit allen menschlichen Handelns bewusst ist.
Hirten, die zur Krippe kommen – und da sind gewiss auch Hirtinnen darunter gewesen, wie unsere Krippendarstellung im Pilgerhaus deutlich macht – sie lehren uns dieses Gottvertrauen, das im Kleinen das Große sieht. Der wahre Gott will wahrlich nicht hoch hinaus, sondern geht tief hinab! Vordergründig wird sich damals an Lebens- und Arbeitsbedingungen nichts geändert haben am Tag danach. Aber etwas hat sich in den Menschen verändert: ‚Fürchtet Euch nicht! Heute ist Euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist Christus, der Herr‘. Natürlich ist dieses Heute auf ein Ereignis vor 2000 Jahren gerichtet; und doch ist es zugleich ein Wort, dass in unser Heute hineingesprochen ist und uns auch heute Mut zusagen will für unser Leben, unsere Aufgaben und unsere Verantwortungen.
Diesen Retter, den die Engel verkündeten, feiern wir heute: das Kind einfacher Leute, das keine Throne an sich reißt, keine Söldnerheere befehligt, und keine Kriege anzettelt, keine Schätze für sich und die Seinen zur Seite bringt, sondern ein Leben der Hingabe führen wird von der Krippe bis zum Kreuz. Krippe und Kreuz sind aus demselben Holz geschnitzt. Wir dürfen Weihnachten nicht feiern, ohne zu bedenken, dass dieser Weg von der Krippe ans Kreuz und in die Auferstehung führt, darauf gründet unsere Hoffnung. Das ist der neue Ton, den Gott in unser Leben bringt: ‚Die Herrschaft wurde auf seine Schultern gelegt.‘ – seine Herrschaft ist aufgerichtet durch Liebe, aufgebaut auf gegenseitigen Beistand und ein Vertrauen, das sich auch durch Rückschläge nicht unterkriegen lässt.
Der Lebensweg Jesu läuft manchen unserer Denkmuster zuwider und fasziniert doch bis heute und spornt viele an, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen. Wenn wir in dieser Nacht seine Geburt feiern, dann erfahren wir, dass Gott bei uns ist und wir zusammen mit Israel sein Volk sind. ‚Gott hat sich für uns hingegeben, damit er uns von aller Ungerechtigkeit erlöse und für sich ein auserlesenes Volk schaffe‘, so haben wir es in der 2. Lesung aus dem Titusbrief gehört – und Gott sich nicht nur uns, sondern für alle Menschen hingegeben: ‚Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten‘. Weihnachten ist eine Hoffnungsgeschichte. Wir sind Teil davon, wie Jesaja, die Hirtinnen und Hirten, Maria und Josef und im Zentrum die Hoffnung schlechthin, das menschlich-göttliche Kind. An Weihnachten feiern wir diese Geschichte, weiten unseren Horizont und schöpfen neue Hoffnung. ‚Hoffnung ist ein großes rundes Brot, das man zusammen essen muss, erst dann wird man satt‘, schrieb schon so passender der Theologe Fulbert Steffensky.
Seit Gott in Beit-Lechem, im Haus des Brotes, als Mensch geboren wurde, ist keine Nacht mehr so finster, dass sie nicht den Keim und die Verheißung eines neuen Lebens in sich birgt. Gleich empfangen wir in der Eucharistie das Brot des Lebens hier am Ort der Brotvermehrung. Er selbst begegnet uns in diesem kleinen Brot, damit wir so genährt Leben teilen, ‚erst dann wird man satt‘ - das ist die Botschaft von Tabgha auch an Weihnachten. Was in Betlehem begann führte ans Kreuz und zur Auferstehung, seine Hoffnungsbotschaft und seine Hingabe aus Liebe, seine Hinwendung zu den Menschen ist sein Geschenk an uns, damit wir, liebe Schwester und Brüder, das Leben und den Frieden Gottes in Fülle haben.
Frohe Weihnachten, Merry Christmas, Milad Majid!
Amen.“
Pater Jonas und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch eine friedvolle Heilige Nacht!
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Im Tau herab, o Heiland, fließ!
18. Dezember 2022
„Rorate, caeli, desuper, et nubes pluant iustum. – Tauet, ihr Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet herab den Gerechten! … während der wöchentlichen Rorate-Messe haben wir diesen flehenden Ruf, der den Marienmessen im Advent ihren Namen gegeben hat, immer wieder gesungen. Auf das engste ist dieser flehentliche Ruf, der aus dem Jesaja-Buch stammt, mit dem Advent verbunden. Ohnehin ist diese Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest hin in der Liturgie auffallend reich von Imperativen geprägt. Unsere schönen Adventslieder legen davon Zeugnis ab: ‚Macht hoch die Tür‘, ‚Wachet auf‘, ‚Kündet, allen in der Not‘, oder an Gott gerichtet, ‚O komm, o komm, Emmanuel‘, ‚Komm, du Heiland aller Welt‘, und nicht zuletzt: ‚Freut euch ihr Christen‘, ‚Tochter Zion, freue dich‘. An diesem 4. Adventssonntag, dem letzten Sonntag vor Weihnachten, wird nun dieses imperative ‚Rorate‘, dieses „Tauet“, als Eingangsvers gesungen. Es steht gleich einer Überschrift über diesem Sonntag. Auf den letzten Metern vor dem Weihnachtsfest verdichtet sich hier das Drängen und Flehen: Der Himmel wird bestürmt. Nun wird es in der Tat Zeit, dass der Heiland endlich kommt.
Doch, wer singt da eigentlich? Wer will denn da so flehentlich, dass die Himmel aufbrechen und der Heiland ‚herabließt‘, wie wir es heute zu Beginn der Heiligen Messe auf dem Zion mit dem Lied ‚O Heiland, reiß die Himmel auf‘, das 1622 und somit vor genau 400 Jahren von Friedrich Spee gedichtet wurde, gesungen haben? – mit den Worten dieser idealen Verdeutschung des ‚Rorate‘: ‚O Gott, ein Tau vom Himmel gieß, im Tau herab, o Heiland, fließ?‘ Beim genauen Hinsehen besteht dieses so beliebte Adventslied von Friedrich Spee aus nichts anderem als aneinandergereihten Jesaja-Zitaten. Die ganze Welt des Liedes dreht sich um alttestamentliche Textstellen, die kunstvoll und mit viel Sprachgeschick zu einem flehenden Band verknüpft wurden. Es handelt sich sozusagen um ein gesungenes Jesaja-Buch. – Aber gerade deswegen ist dieses Lied ein ausgesprochen merkwürdiges Adventslied: Denn hier lässt ein Christ uns Christen singen, als ob es Christus selbst gar nicht gegeben hätte! Dass sich im Advent vor 400 Jahren, in dem das Lied zum ersten Mal gesungen wurde, das Erscheinen Christi in Menschengestalt schon vor vielen Jahrhunderten zugetragen hat, wird mit keiner Silbe erwähnt. Christus wird nicht genannt. Die Charakterisierung der bedrückenden Gottferne in den Motiven des verbarrikadierten Himmels, der Dürre und der Unfruchtbarkeit der Erde, der Trostlosigkeit, Finsternis und Heimatlosigkeit wird bis ins kleinste Detail aus der alttestamentlichen Perspektive geschildert. – Ein Hinweis auf eine schon erfolgte Geburt des Erlösers oder die Erfüllung der Verheißungen kommen nicht in den Blick.
Und doch sind da die ersten drei Strophen des Liedes, die umfassendes Heil ausdrücken: Von oben kommen soll der Heiland und zugleich, von unten, aus der Erde ‚springen‘. Die Bedingungen für das Herabsteigen des Heilands in Regen und Tau werden genannt: Das Abreißen von ‚Tor und Tür‘, von ‚Schloss und Riegel‘! Was der regenspendende Himmel und der morgendliche Tau bewirken, wird besonders jetzt in dieser Zeit, hier im Heiligen Land, sichtbar: Wie wenig Tau braucht es, damit die Wüste zu blühen beginnt!
Doch die letzten drei Strophen des Liedes stehen mit der unheilvollen Beschreibung der Gegenwart in jähen Kontrast zu den ersten drei Strophen. Nun ist von ‚Jammertal‘, ‚Finsternis‘ und ‚größter Not‘ die Rede. Das Verlangen nach dem Erscheinen des göttlichen Erlösers wird existenziell: ‚vor Augen steht der ewig Tod‘. Und in letzter Konsequenz wird die unheilvolle Welt mit dem Exil Israels verbunden: ‚Ach komm, führ uns mit starker Hand, vom Elend zu dem Vaterland!‘
Nochmals sei die Frage aufgeworfen: Wer singt diese Worte eigentlich? Die Singenden, also wir, stellen uns in eine Linie mit Jesaja; wir werden zu seinen Zeitgenossen! Und wenn wir ehrlich sind: ‚Leid‘, ‚Elend‘ und ‚Jammertal‘ sind auch heute eine Realität für Christinnen und Christen – selbst am Weihnachtsfest herrscht für viele ‚größte Not‘. Die alttestamentlichen Verheißungen sind nicht einfach erfüllt worden durch die Geburt Christi, sondern haben als Verheißungen weiterhin volle Gültigkeit! Nicht zuletzt sind es Bitten um das Heil am Ende der Zeiten! – Daher flehen wir auch heute noch angesichts einer Welt, die schon friedlichere Weihnachten erlebt hat, um den kleinen Frieden – dort wo der Heiland den Himmel aufreißen kann. Das kann im eigenen Herzen sein, das dürr, gleichgültig und antriebslos geworden ist und für die adventliche Botschaft vertrocknet – ‚o Gott, ein Tau vom Himmel gieß‘. Das kann in Zusammenleben sein, wo ‚Schloss und Riegel‘ der Abneigung, des bösen Blicks, der Lästereien, aufgebrochen werden müssten. Wir bitten darum, dass sich an diesem Weihnachtsfest wieder ‚Himmel und Erde‘ berühren. - Rorate, caeli, desuper, et nubes pluant iustum.“
Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten 4. Advent!
Über
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Paul
Paul Nordhausen-Besalel ist schon etwas in der Welt herumgekommen, bis er nach seinem Pädagogikstudium in Israel landete. Aber er hat sich die Begeisterung eines Kindes bewahrt, wenn er seiner Arbeit und den Menschen, denen er dabei begegnet, entgegentritt. Als Leiter der Begegnungsstätte Beit Noah muss er das auch. – Von einem der schönsten Jobs rund um den See Genezareth berichtet er im Beit Noah-Blog.
Nina.
Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem. (Psalm 122,2)
Acht Monate in Jerusalem leben und lernen: Dieser Traum wurde für Nina aus dem Schwabenland wahr.
Sie stammt aus einer württembergischen Kleinstadt bei Esslingen am Neckar. Auch für das Studium der Theologie verschlug es sie an den Neckar, diesmal direkt ans Ufer, nämlich nach Tübingen. Nach vier Semestern dort ist sie nun in Jerusalem, der Heiligen Stadt für Juden, Christen und Muslime.
In dieser Stadt, in der es nichts gibt, was es nicht gibt, macht sie jeden Tag aufs Neue faszinierende wie irritierende Erfahrungen, von denen sie im Studiblog berichtet.
Von pinkfarbenem Blumenkohl, eingelegten Oliven in Plastikeimern, Rolexverkäufern und sonstigen Erlebnissen und Begegnungen im Heiligen Land erzählt sie humorvoll auf ihrem privaten Blog „Nina im Heiligen Land” .
Lukas (STJ 2012/13)
Lukas Wiesenhütter liebt Humus, Falafel und den Gang durch die Gassen der Jerusalemer Altstadt. Nach sechs Semestern in Freiburg im Breisgau studiert er während der kommenden Monate Theologie an der Dormitio-Abtei. Nebenbei schreibt der 23-Jährige am Blog des Studienjahres mit.
Caroline
Caroline ist eine der vier DVHL-Volos, die 2013/14 in Tabgha ihren Dienst machen. Von ihrer Arbeit und ihrem Leben am See berichtet sie in diesem Blog.
Florence Berg.
Florence was raised in Luxembourg, but returned to her native country Germany to take up theological studies in the lovely town of Tübingen, where she soon added a degree in Near Eastern Archeology, simply out of curiosity.
Although in Jerusalem and the entire Holy Land it's very hard NOT to stumble across some archeological remains (and so much more not yet discovered!), she'll also have a close look at living humans.
Greek-catholic nuns and French Dominican friars, Muslims and religious Jews, Christian Palestinians and German fellow students - it's quite unique, so enjoy Florence's reports, impressions and anecdotes!
Bruder Franziskus
Wer Bruder Franziskus einmal in Tabgha erlebt hat, der hat den Eindruck, dass er schon immer da ist: Die Verbundenheit mit diesem sehr besonderen Teil der Schöpfung, die Offenheit für die Menschen und besonders die Nähe zu Jesus, der diesen schönen Ort am See mit den Menschen geteilt hat, machen aus Bruder Franziskus einen echten Tabgha-Mönch.
Auch den Neubau und die Menschen um ihn herum hat er im Blick. Im Bautagebuch erzählt er davon.
Tony
Tony (Anthony) Nelson ist von Hause aus Philosoph, d.h. von seinem ersten Studienabschluss her. Den hat er an der St. John's University in Collegeville (Minnesota/USA) gemacht. Das ist bestimmt nicht die schlechteste Voraussetzung für den zweitschönsten Job am See Genezareth: Assistent des Leiters der Begegnungsstätte Beit Noah. Tony, der im Rahmen des Benedictine Volunteer Corps bei uns in Tabgha ist, erzählt von seiner Arbeit im Beit Noah-Blog.
Annika (STJ (2012/13)
Annika Schmitz hat ihr Theologiestudium vor sieben Semestern als überzeugte Kölnerin in Freiburg im Breisgau begonnen. Sie hat also einige Erfahrung damit, sich auf fremde Kulturen einzulassen.
Bis Mitte April lebt, studiert und bloggt die 23-Jährige aus Jerusalem.
p basilius
„Willst du von der Welt was seh’n, musst du in ein Kloster geh’n!“ – Im Gemeinschaftsleben im Kloster mit den Brüdern, mit Gästen, Studierenden und Volontären kann man in der Tat viel von der Welt sehen und erfahren. Und mindestens die halbe Welt kommt nach Jerusalem und Tabgha, weil es sich einfach lohnt... – Aus diesen Welten im und ums Kloster erzählt Pater Basilius, der Prior unserer Teilgemeinschaft in Tabgha.
Mit einer Unterbrechung von etwa eineinhalb Jahren, in denen er im „Haus Jerusalem” lebte, ist Pater Jeremias schon seit über zehn Jahren in Tabgha.
Den Entstehungsprozess des neuen Klosters hat er intensiv miterlebt und geprägt: Bei der Erstellung des Masterplanes, einer Art Bebauungs- und Flächennutzungsplans, in unzähligen Gesprächen mit den Brüdern, den Architekten und den Vertretern des DVHL und in der Begegnung um im Kontakt mit Spendern, die dieses Projekt in so wunderbarer Weise ermöglichen.
Peter Blattner
Peter Blattner gehört zur vierten Generation amerikanischer Volontäre, die uns die Benediktinerhochschule St. John's/Collegeville in Minnesota schickt. Wie auch seine Vorgänger verstärkt er das Beit Noah-Team um Leiter Paul Nordhausen Besalel.
Im Beit Noah-Blog berichtet er, was er auf der und um die Begegnungsstätte so alles erlebt!
Nancy Rahn.
Nancy ist Weltenbummlerin und beobachtet gerne Menschen. Dafür ist sie in Jerusalem genau an der richtigen Adresse.
Ursprünglich studiert Nancy im kleinen Tübingen und genießt deshalb den Trubel und das Getümmel in den kleinen und großen Straßen ihrer neuen Heimat auf Zeit.
Von eindrücklichen Erfahrungen, witzigen und nachdenklichen Begegnungen und davon was es heißt, mit einem Haufen ganz unterschiedlicher Menschen zusammen ein dreiviertel Jahr lang das Land der Bibel kennenzulernen, berichtet sie im Studi-Blog.
Weitere Beobachtungen teilt Nancy auf ihrem privaten Blog Nancy auf dem Zion.
Pater Ralph
Spötter behaupten, eine der wichtigsten Beschäftigungen der Benediktinermönche sei es zu bauen. – Das ist genauso böse wie richtig. Denn der Bau eines neuen Klosters in Tabgha ist für unsere Gemeinschaft dort ausgesprochen wichtig, um an diesem beliebten und belebten Pilgerort einen sicheren und geschützten Lebensraum als Mönche zu haben. – Pater Prior Ralphs Tagewerk richtet sich nach den Baumaschinen und Handwerkern, wovon er im „Bautagebuch“ berichtet.
Tobias Weyler.
Tobias ist gebürtiger Düsseldorfer und Kölner Erzbistumskind. Deshalb lag es nahe, dass er sein Theologiestudium vor zwei Jahren in Bonn begann.
Jerusalem und Israel reizen ihn politisch, sprachlich, kulturell, wissenschaftlich und natürlich religiös. Über seine Erfahrungen und Eindrücke berichtet er hier zusammen mit Nina und Nancy.
Außerdem bloggt Tobias auch unter yerushalayimshelzahav.over-blog.de!
Carolin.
Mein Name ist Carolin Willimsky. Ich bin dieses Jahr (2012/13) Volontärin in Tabgha, dabei werde möglichst regelmäßig diesen Blog schreiben.
Abbot Gregory
Born and grown up in Belfast Abbot Gregory made, of course, very specific experiences with people of different religions or denominations. It is not only a question of peace or violence, even more it is a process of learning together.
As an Irish monk of a German monastery in the holy city of Jerusalem Abbot Gregory will share his impressions of ever day’s life here in Jerusalem between all those people of various languages, cultures and religions – not always easy people, but interesting people.