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Mit allen Sinnen


Apsismosaik in der Dormitio Pfingsten in der Dormitio Abtei in Jerusalem

Christlicher Glaube ist auch, aber bei weitem nicht nur eine Sache des Verstandes. Er spricht den ganzen Menschen an, so wie der ganze Mensch mit Leib und Seele als Mann und Frau Geschöpf Gottes ist. Benedikt von Nursia weiß um diese Ganzheit des Menschen. Deshalb ordnet er in seiner Regel auch Dinge, die Äußerlichkeiten zu sein scheinen, wie zum Beispiel den Stoff des Habits oder das Maß des Weines. Er tut dies im Bewusstsein, dass Mönche, die ihr Leben lang an einem Ort bleiben, eine gute und geordnete Beziehung zu ihrer Umwelt leben müssen, um das Glück zu erlangen, für das sie geschaffen sind.

Auch die Liturgie der Kirche weiß um diese Ganzheitlichkeit des Menschen. Sie erschöpft sich nicht in der bloßen Wiederholung heiliger Texte, sondern bezieht alle menschlichen Sinne in das Gebet ein. So sehr die liturgische Feier auf die kommende Welt ausgerichtet ist, so findet sie doch immer in dieser Welt statt. Sie ist Ausdruck das Dankes und der Freude über das Heil, das schon in dieser Welt erfahrbar ist in den konkreten Gaben der Schöpfung.

Wir Benediktinermönche in Jerusalem und Tabgha feiern die Liturgie deshalb mit den Elementen des Lebens, mit Leib und Seele und mit dem Heiligen Land.


Mit den Elementen des Lebens

Feuer

Das Feuer ist ein doppeldeutiges Sinnbild: Steht es auf der einen Seite für die Fähigkeit des Menschen, die Welt zu beherrschen, so symbolisiert es auf der andere Seite, dass der Mensch auch in einer hochtechnisierten Welt den Mächten der Natur schutzlos ausgeliefert sein kann. Vor allem aber ist Feuer für den Menschen lebenswichtig, da es ihm Wärme, Licht und Schutz bietet. So hat das Feuer an verschiedenen Angelpunkten des Kirchenjahres und der Liturgie seinen festen Platz:

  • In der Osternacht als Zeichen des neuen Lichtes, das durch Christi Auferstehung die Welt und das Leben jedes einzelnen Menschen erhellt.
  • In den Feuerzungen des Pfingstfestes, die für die befreiende Macht des Geistes Gottes stehen.
  • In den Kerzen auf dem Altar, den Apostelleuchtern, dem Adventskranz, am Fest der Darstellung des Herrn und beim Blasiussegen.
  • In den vielen Kerzen, die unsere Pilger in der Krypta auf dem Zion, am Benediktsaltar, an den Ikonen der Brotvermehrungskirche und in der Weihnachtszeit an der Krippe entzünden, um ihrem Gebet sichtbar Ausdruck zu verleihen.

Wasser

Das Wasser gilt als Element des Lebens schlechthin. Es stillt den Durst, es reinigt, es kühlt, es heilt. Diese symbolische Bedeutung des Wassers wird auch von der Liturgie immer wieder aufgenommen:

  • Im Wasser der Taufe, in dem der Täufling sakramental mit Christus stirbt und aufersteht und so Anteil am Leben Gottes erhält.
  • Im feierlich geweihten Osterwasser, das versinnbildlicht, dass die Auferstehung Christi für alle die glauben, zur Quelle des neuen und unvergänglichen Lebens wird.
  • In der Fußwaschung am Gründonnerstag, in der wir den Auftrag des Herrn erfüllen.
  • In der Händewaschung des Priester während der Eucharistiefeier.
  • Im Weihwasser, mit dem wir uns täglich bei Betreten der Kirche bekreuzigen und mit dem wir den Sarg und das Grab segnen.

Erde

„Gepriesen bist du Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit...”, betet der Priester meist leise bei der Gabenbereitung. – Die Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit lassen mit Händen Aufgabe und Gabe der Schöpfung greifen:

  • In den Blumen, mit denen wir auch unsere Kirchen schmücken; in den Kräutern, die zu Mariä Himmelfahrt gesegnet werden; in den Palmzweigen des Palmsonntags.
  • In der Kreide, mit der wir am Jahresbeginn unsere Häuser und Räume segnen.
  • Im Öl der Oliven, das für die Salbung bei der Taufe, bei den Weihen und bei der Krankensalbung verwendet wird.
  • Im Brot, das wir zum Altar bringen und das uns als Brot des Lebens wieder gereicht wird, und im Wein, den wir zum Altar bringen und der uns im Kelch des Heiles wieder gereicht wird.

Mit Leib und Seele

Hören, sprechen, Singen, Schweigen

  • Schon der Apostel Paulus wusste, dass der Glaube vom Hören kommt (vgl. Römerbrief 10,17). Er ist immer zuerst ein freies Geschenk der Liebe Gottes. Deshalb nimmt das Hören auf das Wort Gottes in der klösterlichen Liturgie und im monastischen Leben einen so breiten Raum ein. Sei es im Stundengebet oder in der Messe, bei Tisch im Refektorium oder in der persönlichen lectio divina in der Zelle: Immer wieder bemühen wir uns darum, Hörende zu werden, Menschen, die ihr Leben von Gottes Wort und seinem Anruf prägen lassen.
  • Das gläubige Hören kann vielfältige Antworten im Menschen hervorbringen: Dank, Lob und Preis, Bitte, Klage, Anbetung. So wird der Mensch vom rein wahrnehmenden Hörer zum Beter und Freund und Partner Gottes.
  • „Wer singt, betet doppelt“, sagt Augustinus von Hippo und bringt damit zum Ausdruck, dass die Feierlichkeit und Erhabenheit des Gesangs dem Umgang mit Gott besonders angemessen ist. Deshalb geben wir dem singenden Beten in unseren liturgischen Feiern einen sehr breiten Raum.
  • Die Liturgie kennt aber auch immer wieder Augenblicke des Schweigens vor dem Angesicht Gottes: „Ich ließ meine Seele ruhig werden und still. Wie ein gestilltes Kind bei der Mutter, so ist in mir meine Seele gestillt.“ (Psalm 131,2)

Sehen, Schmecken, Riechen

  • Jede Kirche, ganz gleich ob es sich um eine einfache Dorfkirche oder eine prachtvolle Kathedrale handelt, will eine Erinnerung an Gott sein. Sie will mit ihrer Architektur und ihrer Kunst den Blick auf Gott lenken: „Ich erhebe meine Augen zu dir, der du thronst im Himmel.“ (Psalm 123,1)
  • Brot und Wein stehen mitten im Leben. Sie verbinden Alltag und Fest. Für den, der Christus begegnet ist, werden sie Zusage zum Leben: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lukasevangelium 22,19)
  • Keiner unserer Sinne lässt uns mehr das Geheimnis erahnen als der Geruch. Nicht alles, was wir riechen, sehen wir unmittelbar. Was wir riechen, regt an, kann Sehnsüchte und Hoffnungen wecken: Wie Zimt und duftendes Gewürzrohr, wie beste Myrrhe strömte ich Wohlgeruch aus, wie Galbanum, Onyx und Stakte, wie Weihrauchwolken im heiligen Zelt (Jesus Sirach 24,15). – Gottes Weisheit will uns in die Nase steigen.

(Sich) bewegen und berühren

Liturgie will uns in jeder Faser unseres Leibes erfassen:

  • Wenn wir in Prozession Teile der Liturgie gestalten: beim Ein- und Auszug, am Palmsonntag, bei der Evangelien- und Gabenprozession, beim Friedhofsgang.
  • Wenn wir mit der ganzen Hand das Kreuzzeichen machen, von der Stirn zur Brust, von einer Schulter zur anderen, oder mit dem Daumen ein kleines Kreuz auf der Stirn, den Lippen und der Brust zeichnen.
  • Wenn wir uns vor Gottes Angesicht zu Boden werfen: am Karfreitag, bei den Weihen und Professen.
  • Wenn wir niederknien vor Gottes Gegenwart in der Eucharistie. Wenn wir uns verneigen beim Beten der Doxologie der Psalmen und Cantica und beim Betreten des Altarraumes.
  • Wenn wir als Ausdruck der Verehrung das Evangeliar, den Altar, eine Ikone oder Kreuz am Karfreitag küssen.
  • Wenn wir die Hände erheben bei den Orationen und besonders beim Vaterunser.
  • Wenn wir beim Segen oder bei den Weihen in Gebet oder im Schweigen einem anderen die Hände auf den Kopf legen.
  • Wenn wir uns einander zuwenden und berühren im Friedensgruß.
  • Wenn wir bewusst unseren Weg zu Gott gehen im Kommuniongang.

Mit dem Heiligen Land

Am Ufer des Sees Genezareth

Für uns Mönche, die wir unsere Beständigkeit auf dem Zion und in Tabgha leben, hat Liturgie als ein Lebensvollzug, der den ganzen Menschen erfasst und angeht, in unserem Fall eine weitere Dimension: Das Heilige Land.

Biblische Stätten

Wir leben in unmittelbarer Nähe vieler biblischer Ereignisse besonders der Evangelien. Die Heiligen Stätten des Alten und des Neuen Bundes sind unser Lebensumfeld:

  • Zu Weihnachten können wir in Bethlehem in der Geburtsgrotte beten wie damals die Hirten und Könige.
  • Zu Ostern können wir das Leere Grab besuchen und dem Auferstandenen nach Galiläa folgen.
  • Wir haben unsere „Haus-Hochfeste”: Auf dem Zion die Einsetzung der Eucharistie und das Geschenk der Fußwaschung, die Gabe des Heiligen Geistes und der Auftrag zur Versöhnung, die Aufnahme Mariens in den Himmel. In Tabgha das Wunder der Brotvermehrung als Zeichen der Großzügigkeit Gottes.

Sonne und Regen

Die Jahreszeiten und Klimawechsel, die sich in den Erzählungen der Bibel spiegeln, erleben wir ganz alltäglich mit:

  • Die jüdischen Wallfahrts- und Erntefeste mit ihren jeweils typischen Früchten und Gaben.
  • Den Frühregen aus Psalm 84 ebenso wie die Stürme um Pfingsten herum; in den letzten Jahren immer wieder auch Schnee im Winter und besonders im Frühjahr Sandstürme aus der Wüste.
  • Die trockene und heiße Wüste und das Aufatmen und Neu-Ergrünen der Natur beim ersten Regen.

Die Bevölkerung des Heiligen Landes: Juden, Christen, Muslime und Drusen

Schließlich die Menschen:

  • Das bunte Völkergemisch, das im Heiligen Land schon zu allen Zeiten lebte, ist ebenso anstrengend wie spannend. Ihre Emotionalität in Auseinandersetzungen aber auch in religiösen Vollzügen scheint stärker ausgeprägt als bei den meisten Europäern. Für sie und mit ihnen um Frieden und Versöhnung zu beten, ist eine eigene Gabe und Aufgabe,
  • Tausende von Pilgern und Touristen besuchen nicht nur das Heilige Land, sondern kommen auch zu unseren Gottesdiensten und Gebetszeiten.
  • Und immer wieder: Für uns ist es vor allem das Heilige Land, weil es das Land ist, in dem Gott selbst Mensch wurde. Als Mensch lebte. Starb. Auferstand.

    (Alle vier Fotos dieser Seite von Frieder Blickle (2002) / „Peace Counts”)