Finden Sie was sie suchen...

Meldung im Detail


"Ein Beispiel habe ich euch gegeben..."

01. Juli 2009

Predigt von P. Basilius Schiel OSB in St. Godehard, Hildesheim, am Gründonnerstag 2004

Es scheinen viele dunkle Wolken über uns aufzuziehen, liebe Schwestern und Brüder. Und damit meine ich noch nicht einmal zuerst die schweren Regenwolken, die gestern und heute über Hildesheim gezogen sind. Aber auch nicht zuletzt denke ich an jene dunklen Wolken, die ab heute mit den biblischen Texten vom Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus durch unser Gemüt ziehen wollen, bis sie schließlich von der Sonne des Ostermorgens wieder vertrieben werden sollen.

Ich denke eigentlich bei diesen Wolken vor allem an jene finsteren Wolken, die unsere Welt im Kleinen und Großen verdüstern: Die Situation der Innenstadtpfarreien und der ganzen Diözese auf den ersten schweren, sehr schweren Metern des Weges der Neu- und Umordnung; die nach wie vor kritische wirtschaftliche Lage in Deutschland und überall in der Welt. Und schließlich: der so genannte Anti-Terror-Krieg. Weltweit. Wie wird sich die Situation im Heiligen Land weiterentwickeln? Wie wird es im Irak weitergehen? Droht eine großflächige, auch militärische Auseinandersetzung mit der islamischen Welt? Wie konkret sind die Pläne der Terroristen für Europa? Ist die Front des Anti-Terror-Krieges schon vor unserer Haustür?

In der Tat, es scheint dunkel um uns zu werden. Und so geht es um ein Thema, das so alt ist wie wir Menschen selbst: Es geht um den Kampf zwischen Gut und Böse. Schauen Sie sich die Bücher und Kinofilme der vergangenen Jahre an: Der berühmte Zauberschüler Harry Potter und der Klassiker "Herr der Ringe" sind nur zwei der exponiertesten Beispiele dafür, wie sehr die Menschen sich - bewusst oder unbewusst - mit dieser Frage des Kampfes zwischen Gut und Böse beschäftigen. In beiden genannten Büchern bzw. Filmen kämpfen die guten Helden gegen finstere, dunkle Herrscher, die die Macht an sich reißen wollen. In beiden Fällen tun sie es mit magischen und im "Herrn der Ringe" auch mit militärischen Mitteln. - Und die Wirklichkeit? Wie groß doch die Ähnlichkeiten sind…

Sie werden sich noch an George W. Bushs Aussage von der "Achse des Bösen" vom Januar 2002 erinnern und auch daran, mit welcher Energie auch hier in Europa um den Eintritt in den Irakkrieg gerungen wurde, um sich dann in diesem angeblich zivilisierten Europa gegenseitig moralische Fragwürdigkeit und Verantwortungslosigkeit vor Augen zu führen, die Welt nach Gut und Böse, nach Guten und Feigen einzuteilen… Die Folgen spüren wir bis heute; und blutig haben es die Menschen in Madrid gespürt…

Dunkel scheint es um uns zu werden. Vielleicht so dunkel wie an jenem Abend, als Jesus damals Seinem Verräter beim gemeinsamen Mahl ins Angesicht schaute und mit ihm sogar noch ein Stück Brot geteilt hat. So dunkel wie es dann in den Stunden danach um Ihn wurde, als Er unter dem Schatten der uralten Olivenbäume im Garten Gethsemane im Gebet mit Seinem himmlischen Vater gerungen hat. Vielleicht so dunkel wie bei Seiner Verspottung, bei der Folter, so dunkel wie unter dem Kreuz durch die Gassen Jerusalem…

Der Kampf zwischen Gut und Böse. - Unser Herr Jesus Christus hat ihn gekämpft, hat ihn für uns gekämpft - und gewonnen. Denn Er lebt, das glauben wir. Er hat Tod und Sünde und Hölle bezwungen. Das gilt heute, am Gründonnerstag nicht mehr oder weniger als am Sonntagmorgen, wenn wir dem Auferstandenen im Licht der Osterkerze zujubeln und Gloria und Halleluja singen.

Denn Er, Jesus Christus, ist für uns Menschen und zu unserem Heil gekommen, Er ist gekommen, um uns zu erlösen. Und im Glauben und in der Kraft der heiligen Sakramente haben wir, die wir als Christen Seinen Namen tragen, Anteil an dieser Seiner Sendung: Wir sind zum Heil gesandt, sind beauftragt, der Welt den Frieden, die Versöhnung, die Liebe zu verkünden.

Das hört sich gut an, oder? Vielleicht etwas fromm…

Vielleicht.

Vielleicht sogar vermessen, wenn man auf unsere Welt sieht, wie ich sie vorhin beschrieben habe…

Dem amerikanischen Präsidenten oder den islamistischen Terroristen die Botschaft des Friedens bringen… ?

Oder, im Kleinen: Bei den Problemen, wie sie hier in Stadt und Bistum Hildesheim in diesen Wochen und Monaten zu diskutieren und letztlich zu lösen sind, Ruhe bewahren, die Botschaft der Liebe walten und regieren lassen… ? Das scheint doch mitunter etwas viel verlangt, wenn Sachargumente und Emotionen aufeinanderprallen…

Vielleicht.

Vielleicht aber auch nicht.

Blicken wir doch einmal auf das Ende: Nehmen wir den Auferstandenen im Kreis der Jünger: "Friede sei mit euch!" - Gleich dreimal spricht Er diese Worte zu Seinen Jüngern. Und sie gelten; für die Jünger, für uns Christen, für alle Welt. Denn der Herr bestärkt: "Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!" - Oder schauen Sie auf die wohl persönlichste Begegnung mit dem Auferstandenen, als Er im Garten vor dem leeren Grab Maria Magdalena zärtlich mit ihrem Namen anspricht: "Maria!"

Diese universelle Zusage des Friedens und das persönliche Ansprechen gilt auch jedem einzelnen von uns, denn es zeigt den Sieg des Guten im Kampf gegen das Böse an. Dabei ist dieser Sieg kein Sieg auf Basis von Zaubersprüchen á là Harry Potter. Und schon gar nicht hat Jesus Flugzeugträger und Bodentruppen oder Selbstmordattentäter und Militärbulldozzer eingesetzt.

Und eben das macht diesen Sieg vielleicht so schwer verständlich, so schwer zu fassen, auch für uns selbst. Dieser Sieg drückt sich nicht in politischer oder militärischer Macht aus:

"Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier." (Joh 18,36)

- Diese Sätze spricht Jesus bei der Verhandlung vor Pontius Pilatus; wir werden es morgen in der Passion nach Johannes hören. - Und Jesu Sieg lässt auch keine Aktiendepots wachsen oder den Wert geheimer Nummernkonten steigen:

"Und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen." (Mk 6,8.9)
"Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht." (Mt 6,28)

Liebe Schwestern und Brüder! Wir stehen heute Abend gewissermaßen vor einem Nadelöhr: Der Sieg des Guten, unser Sieg ist uns gewiss. Denn wir kennen die Erfolgsgeschichte von Ostern. Nur müssen wir sie immer wieder neu für uns übersetzen.

Fußwaschung und Eucharistie, die beiden großen Geheimnisse des heutigen Festes sind der Schlüssel dazu…

Ein Beispiel habe ich euch gegeben. Ihr nennt mich Herr und Meister, und das tut ihr zu Recht, denn ich bin es. Und wenn nun ich, euer Herr und Meister euch die Füße wasche, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich liebe euch, das wisst ihr. Und deshalb wasche ich euch die Füße, deshalb diene ich euch. So wird sich die Herrschaft meines und eures Vaters in dieser Welt durchsetzen, nicht mit Gewalt, nicht mit Magie. Sondern mit Liebe.

Ich hätte die Macht, das, was in den kommenden Stunden geschehen soll, zu verhindern. Aber ich tue es nicht, denn es ist der Wille des Vaters, dass es geschieht. Es muss geschehen und es muss auf diese Weise geschehen, damit das Böse mit den Mitteln der Liebe besiegt wird.

Es ist nicht gerecht, es ist brutal, es wird voller Leiden und Schmerzen sein. Es ist nur schwer zu verstehen. Und ihr könnt es noch weniger verstehen als ich selbst, denn ich kenne den Vater und ich spüre, wie sehr ich von Ihm in den nächsten Stunden getrennt werde, ich erahne die völlige Einsamkeit, die auf mich zukommt. Aber ich will sie auf mich nehmen, weil ich den Vater liebe und weil ich euch liebe. Und weil ich darauf vertraue und daran glaube, dass Er mich nicht in der Einsamkeit lässt.

Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Das Gute ist nicht immer das Starke. Darum streitet nicht. Strebt nicht danach, eure eigenen Ziele durchzusetzen, auch wenn sie noch so vernünftig zu sein scheinen. Denn nicht wer stark ist, ist automatisch der Gute. Aber ihr seid im Namen des Guten ausgesandt, so wie mich der Vater ausgesandt hat.

Ich muss diesen Weg alleine gehen, aber ihr geht ihn in meiner Kraft, in meinem Namen. Mein Fleisch und mein Blut, für euch für alle, zur Vergebung der Sünden. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch. Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet. An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. In meinem Fleisch, in meinem Blut, für euch und für alle, zur Vergebung der Sünden. - Ich habe euch ein Beispiel gegeben.

P. Basilius Schiel OSB