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Benediktinersein im Heiligen Land

22. März 2014

Abt Gregory im Gespräch

Liebe Freunde der Dormitio,

Es ist in jedem Kloster die Aufgabe des Abtes, unter den Brüdern und im weiteren Kreis unserer Freunde das theologische und geistliche Nachdenken darüber anzuregen, was monastisches Leben eigentlich bedeutet. Dies ist besonders wichtig, wenn man das klösterliche Leben an so komplizierten und faszinierenden Orten führt, wie wir es tun.

Wir müssen jedoch am Beginn über Eines ganz klar sein. Wir dürfen das, was spezifisch monastisch ist, nicht mit dem vermengen, was das Christsein sowieso beinhaltet. Mönche und andere Ordensleute sind keine besondere Kaste in der Kirche, die zu einer einzigartigen Form der Heiligkeit gegenüber anderen berufen wäre. Nicht im Geringsten! Alle Christen sind zur Fülle der Beziehung mit Gott in Christus und dem Heiligen Geist berufen – und das ist das, was „Heiligkeit“ eigentlich bedeutet. Diejenigen von Ihnen, die die Regel des heiligen Benedikt kennen, werden auch seine berühmte Auflistung der „Werkzeuge der geistlichen Kunst“ im vierten Kapitel kennen, die für jeden Christen die Norm sein sollten – Dinge wie gegenseitige Vergebung, Taten der Liebe und gelebte Nächstenliebe (zum Beispiel die Trauernden trösten und die Toten begraben).

Das Gleiche gilt für Liturgie und Gebet. Es ist nicht so, dass die Feier der Liturgie irgendwie benediktinischen Mönchen vorbehalten wäre, als ob der Gottesdienst der Kirche auf uns begrenzt wäre. Noch einmal: Das ist überhaupt nicht so! Die Liturgie gehört allen Christen und alle Christen sind zur Gemeinschaft mit Gott im öffentlichen und persönlichen Gebet berufen.

Nachdem ich all dies gesagt habe, gibt es natürlich einige unterscheidende benediktinische Werte, Dinge, die für unseren Lebensstil als Mönche spezifisch sind. Diese haben eine besondere „Färbung“, da wir versuchen, sie im Heiligen Land zu leben. Hier also sind die sechs Prinzipien zur Anregung des Nachdenkens, die ich während unserer Gemeinschaftsexerzitien vorgestellt habe. Ich hoffe, dass sie auch zu tieferem Nachdenken bei Ihnen, liebe Freunde der Abtei Dormitio und von Tabgha, anregen, wenn sich unser Freundeskreis mit uns in neue Richtungen weiterentwickelt.

Benediktinisches Leben als gemeinsames Leben unter einem Abt

Das ist sehr naheliegend, ja, aber das, was am nächstliegendsten ist, ist häufig das, was am stärksten betont werden muss! Das gemeinsame Leben in jedem Kloster ist heutzuge immer bedroht: Um dies festzustellen, muss ich nur mein eigenes Leben anschauen. Regelmäßige Reisen zu Sitzungen nach Deutschland (und manchmal nach Rom), viele Termine außerhalb des Hauses, die Bedürfnisse des Studienjahres, das ständige Pendeln zwischen Jerusalem und Tabgha sowie die Anforderung, die Gemeinschaft in der weiteren Öffentlichkeit in Israel zu repräsentieren: All dies bringt für mich viele Abwesenheiten vom gemeinsamen Leben des Klosters mit sich. Dies gilt nicht nur für mich, sondern für viele unserer Mönche.

Wenn das Leben jedoch so ist, muss jeder Mönch in der Gemeinschaft eine besondere Verpflichtung eingehen, das gemeinsame Leben so weit wie möglich an erster Stelle zu setzen. Dies fordert zu persönlicher Askese heraus und manchmal dazu, Einladungen abzulehnen, die, so attraktiv sie seien mögen, auch ablenken. Das bedeutet, im Gedächtnis zu behalten, welchen Einfluss meine nächste Abwesenheit auf unser Chorgebet und unser Gemeinschaftsleben haben wird, besonders da wir eine kleine, auf zwei Orte verteilte Gemeinschaft sind.

Mönche müssen aber auch die Qualität ihres Gemeinschaftslebens selbst schützen. Wir müssen eine gute Balance zwischen den Verbindungen untereinander und dem Respekt vor dem Raum des anderen finden. Zwei Extreme sollen wir vermeiden: Auf der einen Seite das reine Existieren in der Gemeinschaft als vereinzeltes Individuum, das sich kaum mit anderen in Verbindung setzt; auf der anderen Seite das zu starke Übergreifen in das Leben anderer Menschen. Ein Bespiel: Diejenigen, die zu viel reden, müssen das Recht der anderen auf Stille achten; jene aber, die nicht genügend sprechen, sollten sich ein wenig großzügiger auf ihre Brüder einlassen.

Ich bin aus praktischer Erfahrung der Ansicht, dass es vordringlich ist, die Stille zu schützen, besonders in Jerusalem, wo wir Seite an Seite mit sehr lauten und bisweilen aggressiven Nachbarn leben, die es lieber hätten, wenn es uns nicht gäbe. Im vergangenen Jahr habe ich eine Zeit von 45 Minuten für das persönliche Gebet, die Stille und die Lesung zwischen Vesper und Abendessen eingeführt, was die Mehrheit der Brüder sehr schätzt. Aber man muss immer kämpfen, um die Stille innerhalb der Klostermauern zu bewahren, damit wir wirklich eine kleine Insel der Pax Benedictina inmitten eines Meeres von Lärm sind.

Ich habe gesagt, dass wir das Gemeinsame unter der Führung eines Abtes leben. Und wirklich gebraucht der heilige Benedikt dies im ersten Kapitel seiner Regel beinahe als Definition des benediktinischen Lebens. Deshalb spielt der Abt in unserer Form des gemeinsamen Lebens eine einzigartige Rolle. Er ist nicht einfach nur ein Delegierter seiner Gemeinschaft oder ihr Sprecher. Er ist auch nicht im engeren Sinne ein Mitglied der kirchlichen Hierarchie, da er, auch wenn er die Pontifikalien trägt, kein Bischof ist und auch nicht für dieses Amt geweiht wurde. Die Abtsbenediktion ist eine Sakramentalie und kein Sakrament. Wie unsere östlichen monastischen Brüder gemeinsam mit der Magisterregel (einer von Benedikts Hauptquellen) bezeugen, soll er eine charismatische Figur im ursprünglichen Sinne dieses Wortes sein. Das äbtliche Charisma wird nämlich weder durch seine Wahl noch durch den Bischof bei seiner Einführung vermittelt. Es ist vielmehr eine Gabe des Heiligen Geistes zugunsten der Gemeinschaft. Durch die Wahl erkennt die Gemeinschaft an, dass sie auf dem Gewählten ruht. Sie ist nicht Eigentum dessen, der sie empfängt – Sie ist eine für die Zeit des Dienstes verliehene Gabe. Dies gilt besonders in einer Kongregation wie der unseren, die seit Langem „zeitlich begrenzte“ Äbte kennt.

Die Wahl ist weder eine Garantie der Unfehlbarkeit noch eine Erlaubnis zum Eigenwillen für den Abt. Auch er hat in gleichem Maße wie die Brüder, das Gemeinschaftsleben zu leben und Gehorsam zu üben. Seine Aufgabe ist es nicht, Leute zu sich selbst oder seinen persönlichen Projekten zu ziehen, sondern zu dem Kloster, zu dem er gehört und dem er für eine begrenzte Zeit geistlich vorsteht. Die Regel ist klar: Im Glauben wird er als der anerkannt, der die Stelle Christi im Kloster einnimmt. Die ist wirklich eine sehr herausfordernde Aufgabe und wenn Sie mich fragen würden, welche Eigenschaft ein Abt am meisten entwickeln muss, dann würde ich antworten: Selbstmisstrauen. Alle größeren Entscheidungen des Abtes müssen von der Gemeinschaft gefiltert werden, um zu garantieren, dass er nicht einfach nur seine eigenen Meinungen kanonisiert. Nachdem dies passiert ist, muss er entscheiden und die Einscheidung durchsetzen. Die Regel fasst es gut zusammen:

„Was er für nützlicher hält, das sollen alle gehorsam annehmen. Aber wie es sich für den Jünger schickt, dem Meister zu gehorchen, so ist es die Pflicht des Abtes, alles umsichtig und gerecht anzuordnen.

Benediktiner folgen der Regel des heiligen Benedikt

Auch dies scheint ziemlich offensichtlich, aber es ist sinnvoll, daran zu erinnern, dass wir Mönche aus einem großartigen Text leben, der eine der Quellen europäischer Zivilisation ist. Natürlich sollte es im Bezug auf die Regel keinen Fundamentalismus geben. Ja, sie ist voller Weisheit, aber sie ist nicht inspirierte Schrift! Der heilige Benedikt hat viel Kreativität in der Aufnahme der früheren Tradition gezeigt, aber er verweist uns demütig auf die größeren Quellen wie die Wüstenväter, den heiligen Basilius und Johannes Cassianus. Die Regel braucht immer Anpassung und Interpretation durch den Abt und die Gemeinschaft im Lichte unseres zeitgenössischen Kontexts. Ja, sie setzt hohe Ideale für das klösterliche Leben: die großmütige Nachfolge Christi und ein von der Liebe durch den Heiligen Geist geweitetes Herz. Deshalb sollen wir Benediktiner sie lieben, sie uns einprägen und unser Leben von ihrer weisen Mäßigung prägen lassen – und der weitere Kreis unserer Freunde sollte Gelegenheiten haben, uns über sie sprechen und erklären zu hören, warum sie eine so bedeutende Rolle in unserem Leben spielt.

Andere, häufig spätere Formen der Spiritualität wie die der Franziskaner, Dominikaner, Karmeliten oder Jesuiten können uns eine Menge lehren. Aber um einen authentischen benediktinischen Geist zu entwickeln, braucht man die authentischen Quellen benediktinischen Lebens: die Heilige Schrift in der Liturgie, die Väter und die Regel. Ich meine, dass ein definitiver Vorteil, den das Benediktinersein im Heiligen Land mit sich bringt, ist, dass es einen wirklichen ökumenischen Treffpunkt besonders mit unseren Brüdern und Schwestern aus den Ostkirchen bietet. Diese Gemeinschaften – Griechisch- und Russisch-Orthodoxe, Kopten und Armenier, Äthiopier und Syrer – ehren alle das monastische Leben. Sie erkennen an, dass die Wurzeln unserer und ihrer Tradition in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends liegen, bevor viele der verheerenden Spaltung entstanden sind, die die Geschichte des Christentums so geschädigt haben. Sie erkennen uns als Brüder an und selbst, wenn es wie mit dem Griechen ernsthafte Hindernisse für das gegenseitige Verständnis gibt, eröffnet die Tatsache, dass wir den Habit des heiligen Benedikt tragen, doch gewöhnlich Möglichkeiten der Diskussion und der Freundschaft.

Benediktiner lieben das Singen

Wenn ein Benediktinermönch oder eine -nonne eine Weile in einer anderen Art religiöser Gemeinschaft lebt, wo das Offizium nicht gesungen wird, dann wird ihm schnell klar werden, wie wichtig es ist, dass wir so häufig singen! Liebe zum feierlichen Singen der Liturgie – besonders des Chorgebets der Kirche – ist eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der traditionellen benediktinischen Spiritualität. Beim regelmäßigen Singen unserer Gebete, besonders der Psalmen, lernen wir, die Stimme Christi, der zum Vater singt, zu hören und wir erlauben ihm, uns in dieses Lied einzuschließen. Authentische benediktinische Spiritualität ist immer zutiefst lyrisch. Sie ist voll des Lobpreises und der Freude im Heiligen Geist, da das Lied die natürliche Ausdrucksform der Liebe ist. Nicht umsonst sind die Neumen des Gregorianischen Gesangs mit dem Pneuma, dem Atem Gottes, verbunden, der in unseren Herzen singt.

Aber Liebe kennt keinen Minimalismus, da der Liebende Freude daran hat, Zeit in der Gegenwart seines Geliebten zu verbringen. Die benediktinische Feier der Liturgie zeichnet sich durch den Umfang der Zeit, die wir für sie geben, und durch unseren Gebrauch der traditionellen liturgischen Symbole – Musik, Licht, Bilder, Wasser und Weihrauch – aus. Unsere Tradition hat diese Fülle immer wertgeschätzt. Die Schönheit und die Sorge, mit der Benediktinermönche die Liturgie singen, ist ein bedeutsames Mittel der Evangelisierung, woran uns viele unserer Besucher und Gäste erinnern.

In der Dormitio und in Tabgha singen wir die Messe und das Chorgebet weiterhin auf Deutsch und ich habe keine Absichten, dies zu ändern. Abgesehen davon, dass die deutschen Übersetzungen der Liturgie im Allgemeinen exzellent sind und die Übertragungen der Gregorianischen Melodien ebenfalls ersten Ranges sind, dürfen wir nie vergessen, dass es einer der Hauptgründe für die Gründung der Abtei war, deutschsprachigen Pilgern einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem sie sich heimisch fühlen können und geistliche Nahrung erhalten. Gleichzeitig – und dies gilt umso mehr für Tabgha – bleiben wir für die internationalen Dimensionen des Lebens im Heiligen Land offen. Unser tägliches Singen des Messordinariums in lateinischer Sprache und unsere Bereitschaft, Gebete und Lesungen, wenn es gewünscht ist, in anderen Sprachen anzubieten, was in einer polyglotten Gemeinschaft kein Problem ist, bewahren uns davor, uns in einer deutschsprachigen kulturellen Enklave abzuschließen. Lassen mich als nichtdeutsches Mitglied dieser Gemeinschaft bezeugen, dass die Brüder alles andere als in ihrer eigenen kulturellen Identität gefangen sind. Es gibt unter ihnen eine Breite und Offenheit, die ich andernorts selten erlebt habe. Dies mag erklären, warum ein Ire glücklich ist, hier Mitbruder und – für die Dauer seiner Amtszeit – Abt zu sein.

Benediktiner haben ihre Wurzeln in der Wüste

Wie ich den Brüdern oft sage, genügt die Liturgie, wie schön sie auch sein mag, allein in keinem Kloster, um einen authentischen benediktinischen Geist zu entwickeln! Ja, wir sind Koinobiten, berufen zum gemeinsamen Leben, aber wir sind auch Mönche, deren Wurzeln in den Wüsten von Ägypten, Palästina und Syrien liegen. Monos zu sein, hieß ursprünglich, „Single“, unverheiratet zu sein wie Christus, unser Herr. Aber dieses Wort spielt auch auf die einzigartige, zielgerichtete, einsame Beziehung eines jeden von uns mit Gott an.

Um diese zu entwickeln, braucht es Stille, Zurückgezogenheit (die traditionelle anachoresis der Wüstenväter und der byzantinischen Mönche) und die intensive Pflege des persönlichen Gebets. Das Ziel ist das, was das orthodoxe Mönchtum hesychia nennt, ein Zustand inneren Friedens und der Ruhe, eine tiefe Stille im Herzen. Wenn man in dieser stillen Wüste des Herzens verweilt, das von allen ablenkenden Gedanken und Bildern befreit ist, versucht man, das Wort Gottes zu hören, das man in der lectio divina gelesen hat und dem man in der meditatio nachgegangen ist. In dieser bedeutungsvollen Stille, wenn das Ohr des Herzen aufmerksam auf Gott gerichtet ist, erfüllt Gottes Gegenwart (parousia) das eigene Bewusstsein (memoria Dei) mit Frieden. Wie der amerikanische Trappistenmönch Thomas Merton es nennt, „hört“ man einen Herzschlag, der tiefer ist als der eigene: Es ist das Herz Gottes, das im Inneren des eigenen Daseins schlägt.

In unserem oft arbeitsreichen Leben, das von soviel Lärm umgeben ist, ist es besonders lebenswichtig für uns alle, diesen Weg des inneren Gebets und der Einsamkeit zu pflegen, um in Frieden zu leben. Aber ich glaube, dass es besonders wichtig für uns in Jerusalem, die wir in einer Region leben, in der Friede oft wie ein unerreichbares Ideal erscheint, ist, diese innere Welt der Stille und der Gegenwart Gottes, der die einzige wirkliche Quelle des Friedens ist, zu erreichen. In Tabgha ist das, denke ich, einfacher wegen des geringeren äußeren Lärm, aber auch wegen der natürlichen Schönheit, die der See und die umliegenden Hügel ausstrahlen. Aber auch dort ist das Ziel des monastischen Lebens, in das eigene Herz einzutreten und Gott in der Ruhe ununterbrochener Gemeinschaft zu begegnen. Dies ist der beste Dienst, den ein Kloster für den Ort, wo es liegt, leisten kann.

Benediktiner sind „Liebhaber des Ortes“

Hiermit komme ich zur Frage der Orte, wo wir leben. Ich glaube, dass dieser Ausdruck „Liebhaber des Ortes“ von einem amerikanischen Abt, der ihn aus der antiken Vita des heiligen Antonius, des traditionellen Vaters der Mönche, hergeleitet hat, geprägt wurde, aber wer auch immer dies gesagt hat, hat seinen Finger auf einen der wesentlichen Aspekte des benediktinischen Weges gelegt. Es mag wohl allgemeine monastische Impulse in jedem geben, aber das, was unser Leben einzigartig macht, ist das Versprechen, in einer Gemeinschaft ein Leben lang zu leben. Diese Entscheidung, nicht herumzulaufen und die ideale Gemeinschaft zu suchen, sondern geduldig und gehorsam an dem Ort zu bleiben, an den Gott einen eingepflanzt hat, kann eine wirkliche Schule der Selbstdisziplin sein.

Dieses Versprechen, trotz ihrer Fehler und Begrenzungen mit einem wirklichen Abt und einer wirklichen Gemeinschaft zu leben, ist auch der beste Schutz vor gefährlichen Illusionen, die im Gebet entstehen können, Illusionen wie die Vorstellung, dass man einen einzigartigen, privilegierten Zugang zu Gott oder eine besondere Berufung hat, die nicht dort verwirklicht werden kann, wo jemand eigentlich seine Beständigkeit versprochen hat.

Natürlich ist unsere Liebe zu diesem Ort für uns in dieser Gemeinschaft tief verbunden mit unserer Verantwortung für die beiden Heiligen Orte, die unserer Sorge anvertraut sind. Unsere Stabilität hier auf dem Zion und ausgeweitet auch in Tabgha, da wir eine Gemeinschaft an zwei Orten sind, zu haben, bedeutet, dass unsere benediktinische Spiritualität von den Ereignissen, derer wir an diesen Orten gedenken, beeinflusst sein sollte: für den Zion, die Selbsthingabe Christi in der Eucharistie, die Herabkunft des Heiligen Geistes und das Geheimnis der Entschlafung der heiligen Mutter Gottes und für Tabgha die Berufung der ersten Jünger, die Verheißung des Lebensbrotes, die Vermehrung der Brote und Fische, die selbst ein Zeichen der Eucharistie ist, und die Erscheinung des auferstandenen Christus am See Genezareth. Die Herausforderung für uns als Benediktiner ist es, nicht nur einen allgemeinen benediktinischen Geist zu entwickeln, sondern diesen Geheimnisse zu erlauben, ganz in unsere bewusste Erfahrung einzutreten, sodass unsere persönliche Spiritualität wirklich von der Liebe zu diesen beiden Orten geprägt ist.

Da wir fern der Heimat leben, üben wir Mönche der Dormitio und von Tabgha auch eine alte griechische monastische Tugend, die xeniteia, das freiwillige Exil aus dem Heimatland um der Liebe zu Christus willen, weil er uns beruft, in diesem Land zu leben, das durch seine Menschwerdung, seinen Tod und seine Auferstehung geheiligt ist. Beständigkeit heißt, an Ort und Stelle zu bleiben und nicht wegzulaufen, egal wie schwer das Leben wird – selbst dann, wenn es zum Krieg kommen sollte. Aber wie die Geschichte zeigt, ist dieses Versprechen nicht einfach zu erfüllen. Als Mönche dieser Gemeinschaft müssen wir – und dafür brauchen wir auch Ihr Gebet – jeden Tag um Treue zu diesem grundlegenden, aber herausfordernden Aspekt unserer Berufung beten: Nicht nur Benediktiner zu sein, sondern Benediktiner, deren Berufung im Heiligen Land liegt.

Benediktiner sind auch Liebhaber des Himmels

Schließlich, nach dem wir unsere Liebe zu diesem Ort so stark unterstrichen haben, dürfen wir auch nie vergessen, dass Christen, wie der Hebräerbrief sagt, „keine bleibende Stätte“ hier auf Erden haben. Trotz unserer Verehrung der Heiligen Stätten dürfen wir diese nicht in Götzen verkehren. Wir alle sind im Übergang, auf dem Weg zum Himmel und zum ewigen Leben mit Gott. In seinem wunderbaren Buch über die mittelalterliche monastische Spiritualität Wissenschaft und Gottverlangen hat Dom Jean Leclercq, ein großer benediktinischer Mediävist und Mönch von Clervaux in Luxemburg, die Eindringlichkeit beobachtet, mit der mittelalterliche Mönche dieses Verlangen nach der Gegenwart Gottes und ihrer Erfüllung im Himmel gelebt haben.

Er zitiert eine Ansprache des heiligen Bernhard, Abt eines älteren und anderen Clairvaux, in der er seinen Zuhörern gesagt hat, dass der Mönch ein Bewohner Jerusalems ist: monachus et Ierusolymita. Leclercq fährt fort und fügt hinzu:

„Wir müssen nicht leiblich in der Stadt leben, in der Jesus gestorben ist, oder auf dem Berg, von dem gesagt wird, dass Jesus hier wiederkommt. Denn für den Mönch kann dies überall sein. Es ist ein Ort fern der Welt und der Sünde, an dem man nah zu Gott gezogen wird… Das Kloster teilt die Würde des Zionsberges. Es vermittelt allen seinen Bewohnern die geistlichen Wohltaten, die den Orten eigen sind, die durch das Leben des Herrn geheiligt sind…“

Wir müssen hier feststellen, dass Bernhard von denen spricht, die nicht wirklich an diesen heiligen Orten leben. Aber wir sind in gewissem Sinne doppelt gesegnet, weil wir wirklich hier – wortwörtlich auf dem Zion – leben. Wir Mönche der Dormitio und von Tabgha haben tatsächlich die bemerkenswerte Gnade empfangen, an diesen Orten zu leben, „die durch das Leben des Herrn geheiligt sind.“ Aber unser letztes Ziel als Mönche ist nicht einfach, im irdischen Jerusalem zu leben, egal wie schön und anregend das sein mag. Es ist vielmehr das himmlische Jerusalem, die wahre Heilige Stadt, die, wie Paulus den Galatern schrieb, von oben kommt und unsere Mutter ist und das der Seher der Johannesapokalypse geschmückt wie eine Braut für ihren Gemahl vom Himmel herabsteigen sah.

In einem sehr wichtigen Sinne meint monastisches Leben das Bleiben an einem Ort (durch das Gelübde der stabilitas loci oder Beständigkeit im Kloster); in einem anderen Sinne aber ist es auch ein dauernder Exodus, eine gemeinsame Reise hinaus aus diesem „Tal der Tränen“ hin zur Stadt Gottes, zum himmlischen Jerusalem, das uns erwartet. Diese grundlegende Spannung liegt im Herzen allen benediktinischen Lebens. Sie findet ihren schönsten und ergreifendsten Ausdruck, wenn wir bei der Beerdigung eines Mönchs das In paradisum singen und die Engel bitten, unseren verstorbenen Bruder auf diesem Weg aufwärts nach Hause zu geleiten.

Genau diese Spannung zwischen dem Leben in der irdischen Stadt und unserem Übergang zum himmlischen Jerusalem sollte auch unser gesamtes Leben des monastischen Gebets prägen – ein Gebet des Verlangens, der Sehnsucht und des Durstes nach den Höfen des Herrn.

Abschließend möchte ich drei Dinge nennen, von denen ich glaube, dass wir sie als Benediktiner dem Heiligen Land geben können. Denn keine Beziehung ist jemals nur einseitig – auch wir tragen zur Situation dort bei. Erstens: Als eine vorwiegend deutsche, aber auch internationale Gemeinschaft sind wir mit vielen anderen katholischen Ordensleuten, die dort Dienst tun, eine dauernde Erinnerung daran, dass es einen größeren Zusammenhang und eine Weltkirche gibt – es gibt weitere Horizonte, als einem die lokale Szene oft zu sehen erlaubt! Zweitens: Als Mönche halten wir an einem regelmäßigen Zyklus des liturgischen Betens zum Wohle der Orts- und Universalkirche und der ganzen Welt fest. Die Objektivität der Liturgie erhebt einen über die Schwierigkeiten, die in dieser Gesellschaft entstehen können und hält die Aufmerksamkeit auf die letzte Quelle von Sinn gerichtet: Gott. Drittens: Durch die verschiedenen Gaben der Gemeinschaft tragen wir auf vielerlei kleinere und größere Weise zum Werk der Versöhnung und der Friedens in diesem Land bei, in dem Gott die Welt mit sich durch Christus versöhnt hat.

Liebe Freunde, nachdem wir gemeinsam heute Abend darüber nachgedacht haben, was es heißt, Benediktinermönch im Heiligen Land zu sein, lassen Sie mich schließen, indem ich die sechs Prinzipien noch einmal aufzähle, die ich als typisch für das gesamte benediktinische Leben im Kontext unserer spezifischen Situation in der Abtei Dormitio und im Priorat Tabgha ansehe. Und lassen Sie mich noch einmal Dank sagen für Ihre anhaltende Unterstützung und ihre Freundschaft zu unserer Gemeinschaft.

Das gemeinsame Leben unter einem Abt leben,

der Regel des heiligen Benedikt folgen,

die Liturgie mit Freude singen,

in der Wüste verwurzelt sein,

den Ort unserer Berufung lieben,

und dennoch von Liebe für das neue und ewige Jerusalem brennen.