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vom reich gottes nicht fern

04. November 2012

Predigt von Pater Basilius am 31. Sonntag im Jahreskreis (4. November 2012) in der Dormitio

ein stamm. viele zweige. ein stamm. viele zweige.

Schrifttexte des Sonntags

In der Bibel, liebe Schwestern und Brüder, gibt es ganz verschiedene Texte:

  • Wunderbare, geradezu märchenhafte Erzählungen.
  • Brutale und blutige Geschichten.
  • Psalmen, die wir gerne beten, und solche, die uns nur schwer über die Lippen und durch das Herz wollen.
  • Fast schon philosophische Gedankengänge.
  • Und viele kultische und moralische Texte.

Und dann gibt es immer wieder Erzählungen, in denen die Zeit still zu stehen scheint. Momente der Begegnung, in denen überzeitlich Wahres aufscheint:

  • Jakob-Israel beim nächtlichen Ringkampf am Jabbok.
  • Der Prophet Elia und das sanfte Säuseln am Berg Horeb.
  • Jesus und Judas im Garten von Gethsemane.
  • Jesus und Maria von Magdala am Ostermorgen im Garten am Leeren Grab.

Begegnungen von einer Intensität, die sich vielleicht nur im Schweigen erschließt, und der man ebenso schweigsam und sprachlos gegenübersteht.

Und deshalb möchte ich auch nur vorsichtig wenige Striche der Begegnung zwischen Jesus und dem Schriftgelehrten nachzeichnen, denn auch in dieser Begegnung steht die Zeit still und übersteigt sich zugleich selbst.

Da begegnen einander zwei Männer, die sich intensiv mit dem Glauben und der Religion befassen. Ihr Gespräch über das erste Gebot von allen gleicht einem Tanz vor dem Spiegel.

  • Frage und Antwort, Reaktion und Entgegnung – sie spiegeln sich immer wieder ineinander.
  • Respektvoll und einander zugewandt.
  • Eine Begegnung geradezu auf Augenhöhe.
  • Ein wertvoller, kostbarer und seltener Moment zwischen Menschen, noch mehr zwischen Gott und Mensch.

Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.“ (Mk 12,34)

Dabei bleiben Fragen. Auch für uns.

„ER alleine ist der Herr!“ – Und wie oft wenden wir uns anderen Herren zu? Lassen unser Denken, Sprechen und Tun von allem Möglichen bestimmen?
Und wer ist Er überhaupt, unser Gott, der einzige? Die Frage nach dem Gottesbild ist ufer- und bodenlos:

  • Projektionen sind dazu verurteilt, früher oder später zu scheitern und zu zerbrechen.
  • Jede Aussage über Gott macht uns nur umso deutlicher, dass wir im Letzten kaum etwas über Ihn sagen können. –

Und Ihn soll ich lieben, mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all meinen Gedanken und all meiner Kraft…

Auch den Nächsten zu lieben, ist ein hehres Ziel. Alleine, wir wissen, wie oft wir daran scheitern.

Diese beiden Gebote also sind die ersten?

Blickt man nun noch einmal auf Jesus und den Schriftgelehrten, hört ihnen ein weiteres Mal zu, geschieht eigenartiges:

  • Da begegnen sich zwei Religions- und Glaubensprofis.
  • Sie unterhalten sich über das erste Gebot.
  • Man könnte auch sagen, sie sprechen über das Wesen ihrer Religion, über das, worum es zentral im Glauben geht.
  • Und sie benennen beide das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe.

Jesus sagt, dieses Gebot ist das größte.
Der Schriftgelehrte geht noch weiter und wird konkreter: Das Doppelgebot ist „weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer“.

So vieles bestimmt das fromme Leben der Juden zur Zeit Jesu und zur Zeit des Tempels; so vieles bestimmt das fromme Leben auch der Kirche unserer Zeit… Und was ist das Erste, das Größte, das Wichtigste?

  • Zwei Männer der Religion begegnen sich.
  • Im Gespräch berühren sich quasi ihre Hände.
  • Fast wie ein Kind, das sein eigenes Spiegelbild betastet und sich so seiner eigenen Realität bewusst wird.
  • Die Realität, die Wahrheit, die im Gespräch zwischen Jesus und dem Schriftgelehrten aufscheint, reicht tiefer.
  • Sie öffnet sich wie ein Fenster in eine andere Welt. In die Welt jener Menschen, denen vieles an der Religion, an Tempel und Kirche, an Opfern und Zeremonien fern ist.

Das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe können – trotz aller Fragen – wohl weit mehr Menschen annehmen als es jemals Juden und Christen geben wird.

Das Innerste des biblischen Gottesglaubens hat eine merkwürdige Verbindung in die Welt außerhalb der biblischen Religionen. Eine Verbindung, die vielleicht allzu oft achtlos verschüttet oder mit Absicht verborgen ist.

Es gibt wohl viel mehr Menschen, die vom Reich Gottes nicht fern sind.
Was wir daraus machen,
- daraus machen können und machen sollen,
- - mit dieser Frage
- - - lässt uns das Evangelium
- - - - für heute alleine…