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Meldung im Detail


Ans Kreuz mit ihm!

01. April 2012

Der Prozess Jesu
„Ans Kreuz mit ihm!“ (Mt 27,11-29a)

Fastenpredigten 2012: „Was dir Frieden bringt …“
(vgl. Lk 19,42) – Palmsonntag (1. April März 2012)

Das Antlitz Christi.

Aus der vergangen Woche klingt uns noch die flehende und mahnende Bitte Jesu im Ohr: „Wachet und betet!“ Es war im Garten Getsemani. Nach seinem einsamen Gebet wurde Jesus gefangen genommen und anschließend vor dem Hohen Rat verhört. Dort führte sein für die Hohepriester und Ältesten gotteslästerlich klingendes Bekenntnis, der Sohn Gottes zu sein, zu dem Entschluss, Jesus hinrichten zu lassen und ihn dem Statthalter Pontius Pilatus auszuliefern. Hier befinden wir uns nun mitten im Geschehen eines Prozesses, der wie kein anderer die Geschichte der Menschheit verändert.

„Der König der Juden”

Pontius Pilatus ist ein hoher Beamter des römischen Imperiums und für etwa 10 Jahre Statthalter des Kaisers Tiberius in einer der unruhigsten Provinzen des Reiches, in Judäa. Die Geschichtsschreibung bescheinigt ihm eine überaus harte, ja mitunter brutale Amtsführung. Seine Absetzung rührt vermutlich aus den Vorwürfen von Raub, Bestechung und extremer Grausamkeit. Diesem schlauen Mann war klar, „dass man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte.“ Er stellt gleich zu Beginn die entscheidende Frage, die zur Verurteilung Jesu führt:
„Bist du der König der Juden?“ Die einzigen Worte, die Jesus nach dem Evangelisten Matthäus in dem Prozess vor dem Statthalter spricht, lauten: „Du sagst es.“ Dieses Bekenntnis wird wenige Stunden später über dem Haupt Jesu am Kreuz zu lesen sein: „Das ist Jesus, der König der Juden.“

Jesus – König der Juden. Jesus sagt kein Wort mehr zu den Anklagen seiner Feinde, weil es nichts zusätzlich zu sagen gibt, weil es nichts mehr zu erklären gibt – nichts und niemandem mehr. Die Frohe Botschaft, die der Vater ihm aufgetragen hat dem Volk in Wort und heilender Tat zu verkünden, ist ausgerichtet.

Jetzt gibt es nichts mehr zu tun – nur noch zu sein und zu erleiden. Jetzt geht es allein darum, sein Wesen, das gott-menschliche Sein, durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen zu bezeugen.
Jesus weiß, wer er ist. Er ist der König der Juden. Er ist der König Israels, er ist der verheißene Messias. Er ist der, von dem der 132. Psalm spricht: „Der Herr hat wahrhaft geschworen, wahrhaftig, nie wird er davon abgehen: „Einen Spross deines Leibes setze ich auf den Thron, der dir verliehen ist. … Ja, der Herr hat sich den Zion erkoren, er begehrte ihn für sich zum Wohnsitz. …Ich kleide seine Feinde in Schande, doch auf ihm wird seine Krone erglänzen.“ (Ps 132,11,13,18)

Was hier jedoch geschieht, scheint die Verkehrung aller göttlichen Verheißung zu sein: Jesus, aus Davids Geschlecht, der König Israels, der verheißene Retter, der Sohn des lebendigen Gottes, der Sohn des himmlischen Vaters, der Messias, der Christus! - Statt im davidischen und salomonischen Glanz in der Stadt des Herrn der Heere, der Gottesstadt, machtvoll zu herrschen, steht der König der Juden nun genau dort vor dem Gericht einer mächtigen Besatzungsmacht. Nicht er, sondern seine Feinde werden ihn in Schande kleiden und ihn verspotten. Keine goldene Krone wird sein Haupt zieren; seine Krone wird die Dornenkrone sein. Kein göttlicher Thron wird sein Herrschersitz sein sondern der Kreuzespfahl. Und Zion, der lieblich erkorene Wohnsitz des „Königs der ganzen Erde“ (Ps 47,4), Zion wird zum Ort seiner Hinrichtung und des Grabes. – Das ist Jesus, der König der Juden! Heil dir, König der Juden, Heil dir, Christ-König!

Sohn des Vaters...

Damit nicht genug. Der entbrannte Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Himmel und Hölle, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Leben und Tod findet noch eine weitere Spielart sich darzustellen als Verkehrung aller Werte von Gerechtigkeit und Liebe: Die Evangelien berichten von einem Brauch der römischen Statthalter, zum Pessah-Fest einen Gefangenen freizulassen. Barabbas, beschrieben als Aufrührer und Mörder, Bandit und berüchtigter Gefangener, wird von Pilatus als Alternative zu Jesus vorgeschlagen. „Barabbas“ ist nur ein Beiname.

Ob sein eigentlicher Name wirklich „Jesus“ war, wie einige Quellen sagen, ist nicht sicher. Es würde nur den Zynismus dieser tragischen Stunde und Entscheidung vergrößern, wenn dem so wäre. Jedoch der Gipfel des Spottes in diesem dramatischen Kampf ist der bekannte Name: Barabbas. Barabbas ist die aramäische Übersetzung von: Sohn des Vaters!
Jesus, Sohn des Vaters …. Der Kampf um den „Sohn des Vaters“ entbrennt zum Kampf um den wahren und einzigen Sohn des einen wahren Vaters. Apokalypse? Weltgericht? Hier entscheidet sich, wer Herr über Leben und Tod ist. Die Welt steht am Abgrund.

„Lass die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig. Ich hatte heute Nacht seinetwegen einen schrecklichen Traum.“ Ob die Frau des Pontius Pilatus die im 2. Timotheus-Brief erwähnte und später von der orthodoxen Kirche als heilige Anhängerin Jesu verehrte Claudia ist, gilt nicht als sicher. Ihre gut gemeinte Parteinahme bei Pontius Pilatus für Jesus ist jedenfalls verhängnisvoll. Sie spielt nur dem drohenden Verderben und der Macht der zerstörerischen, todbringenden Dunkelheit zu. Die kurze Zeit ihrer Intervention spielt dem Barabbas zu. Die Verführung der Menge, die Hinrichtung Jesu und die Freilassung des Barabbas zu fordern, ist erfolgreich!

„Ans Kreuz mit ihm!”

„Wen von beiden soll ich freilassen?“ Sie riefen: „Barabbas!“ Pilatus sagte zu ihnen: „Was soll ich dann mit Jesus tun, den man den Messias nennt?“ Da schrien sie: „Ans Kreuz mit ihm!“ „Was für ein Verbrechen hat er denn begangen?“ Da schrien sie noch lauter: „Ans Kreuz mit ihm!“ Die Banalität des Bösen schlägt zu. Der schreiende, verführbare Mob der Straße erweist sich als Sklave des chaotischen Durcheinanderbringens von Recht und Gerechtigkeit, Ordnung, Freiheit und Menschlichkeit. Der Stachel des Todes ist entfesselt, während der Richter seine Hände in Unschuld wäscht und „das ganze Volk“ ruft: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“
Fast aktennotizmäßig sachlich fügt Matthäus an: „Daraufhin ließ er Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.“ - Barabbas, der Sohn des Vaters, hat gesiegt; er ist frei.
Selbst die Reinheit des Wassers und die Reinigung der Hände des Richters als Symbol für die Unschuld der Schöpfung und für menschlichen Anstand und Gerechtigkeit werden pervertiert und missbraucht für den gähnenden Schlund der Finsternis. Barabbas, der Sohn des Vaters, hat gesiegt. Jesus, der Sohn eines ganz anderen Vaters, muss sterben.

Das war es. So war es. So war es nach dem Evangelisten Matthäus. Und jetzt? Was hat diese traurige und ergreifende biblische Geschichte für eine Konsequenz für uns? Was hat sie mit uns zu tun? Ja, der arme Jesus musste damals für uns so viel erdulden!

Damals? – Heute!

Damals? Nicht einfach nur damals, sondern heute – für uns. Der Kreuzestod Jesu ist zwar ein einmaliges historisches Geschehen vor 2000 Jahren. Doch gleich-zeitig ist Jesus, der Christus, für die Menschen aller Zeiten vor, während und nach seinem irdischen Leben gestorben. Auch für uns heute. „Durch Christi Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“, sagt uns der hl. Paulus im Brief an die Epheser. (Eph 1,7) … die Vergebung der Sünden … Nichts ist aktueller als das Leiden und Sterben Jesu für uns. Und dieses Leiden und Sterben ist so konkret wie die Schuld, durch die wir uns Tag für Tag gegen die Liebe verfehlen. Darum klingt das Schreien der Menge „Kreuzige ihn“ nicht einfach nur in der biblischen Erzählung für unsere Erinnerung und Erbauung oder emotionalen Rührung nach – nein, jede meiner Sünden heute ist je nachdem ein leiser oder lauter oder gar schrill tönender, zynischer Schrei: „Ans Kreuz mit ihm!“ Gleich der Menge, die damals den Tod Jesu von Pilatus lauthals forderte.

Machen wir es uns bewusst: in jedem Wort Gottes, und scheint es vordergründig auch keine geistliche Lehre des Meisters sondern „nur“ ein Handlungsbericht zu sein, in jedem Wort begegne ich immer auch mir selbst. Was bedeutet es für mich? Was geht es mich an?

Das „ganze Volk“ wie Matthäus schreibt, oder wie man auch sagt, das Volk der Juden, steht stellvertretend für die ganze Welt da, für die ganze Menschheit von Anbeginn bis ans Ende, ja für die ganze in die Dunkelheit der Sünde mit hineingezogene Schöpfung: „Ans Kreuz mit ihm!“
Darum ist jeder Antisemitismus und ganz besonders jeder christliche Antisemitismus eine Verkehrung und Entartung der Erlösungstat Christi. Jede Sünde, auch jede meiner persönlichen Sünde, ist ein Schrei des Bösen: „Ans Kreuz mit ihm! Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ - „Darauf ließ Pilatus Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.“ - Durch unsere Schuld, durch meine Schuld ….

Durch meine Schuld...

Das Bekenntnis von Schuld wird gerne übergangen. So wie wir aber Schuld und Sünde immer mehr verharmlosen und zunehmend einem „Unschuldswahn“ (J. B. Metz) zu verfallen drohen, so nimmt im Bewusstsein der Christen die Not ihrer Erlösungsbedürftigkeit ab. Ich sage das nicht um Moralismus, Angst und Skrupulantentum zu fördern. Das liegt mir fern! Denn gerade darum geht es nicht! Aber im Blick auf Christus und im Vertrauen auf die Erlösung und Vergebung all unserer Schuld müsste uns der Umgang mit unseren Fehlern und Vergehen in Bekenntnis und Versöhnung als Christen wahrhaftig leicht(er) fallen! Nur was ans Licht gebracht wird, kann Versöhnung und Heilung erfahren. Jesus Christus, das Licht der Welt, hat uns dazu befreit und ruft uns unentwegt zu sich! Trotz allem! Trotz unserer Sündenschuld! Es gilt zu glauben, was er sagt: „Ich aber, von der Erde erhöht, werde alle an mich ziehen.“ (Joh 12.32)

„Musste nicht der Messias das alles erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,26) Das wird die göttliche Erklärung des Auferstandenen für die Emmaus-Jünger sein für die Notwendigkeit unserer Erlösung durch seinen Tod am Kreuz: seine Herrlichkeit! Aus freiem Willen nahm er dafür den Tod an und aus Liebe zu uns.

Die Freiheit, durch die der Erlöser das Gesetz der Sünde, der Schuld, der Selbstentfremdung und des Todes durchbrochen hat, hat uns zur Freiheit des einzigen Gebotes befreit, das dem Sinn des Lebens und unseres Daseins wirklich dient: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“ (Joh 15,12) Das ist das Gebot unseres göttlichen Königs!

Mehr noch! Das 1. Kapitel des letzten Buches der Heiligen Schrift, die Geheime Offenbarung, sagt uns unmissverständlich und end-gültig, warum Jesus Christus das alles auf sich genommen hat und zu welcher Hoffnung und Freude und Ehre und Herrlichkeit – gleich ihm - wir dadurch berufen sind: „Christus hat uns geliebt und durch sein Blut von unseren Sünden erlöst. Er machte uns zu einem Königtum und zu Priestern vor Gott, seinem Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“ (Offb 1,5f) „Jesus, der König der Juden“, der einzige Sohn des einen Gottes, macht uns Sünder zu Königen und Priestern vor Gott, seinem Vater – seinem Vater und unserem Vater …….! Ja, ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Denn durch sein Kreuz kamen nicht Angst, Moralismus und Skrupulantentum in die Welt. Durch sein Kreuz kam einzig und allein Freude in die Welt – christliche Freude!
Darum ist das Kreuz das Zeichen der Freiheit des Christenmenschen. Das Kreuz ist ohne Christus nicht denkbar. Christus ist ohne das Kreuz nicht denkbar. Ein Christ ist ohne das Kreuz nicht denkbar, weil es DAS Zeichen seiner Freiheit und Würde, seiner Herrlichkeit und Liebe durch und mit und in Jesus Christus ist. „Oh glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden“, werden wir im Exultet der Osternacht singen. Das ist die Wahrheit.

Ans Kreuz mit IHM!

So sind die furchtbaren Worte „Ans Kreuz mit ihm“ zwar immer auch meine Worte. Doch gleichzeitig ist das Kreuz meine einzige Rettung.

Ist nicht auf geheimnisvoll dunkle Weise die Sünde auch ein Schrei nach wahrer und endgültiger, ewiger Liebe und Erlösung? Ein verführter Schrei freilich, aber doch ein Schrei nach Erlösung aus Liebe und Gnade?
Wie ein Kind, das schreit oder etwas mutwillig zerstört, weil es Aufmerksamkeit erhofft, um geliebt werden? – Ich weiß es nicht! Aber ich weiß, dass ich mich sehne nach göttlicher, ewiger Liebe!

Bewahre mich, Herr, vor dem falschen Weg durch Sünde und Schuld! Denn nur in Christus findet die menschliche Sehnsucht durch Liebe zur Liebe. Das Kreuz Christi lehrt es mich.

Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Rettung und Hoffnung für mich und für dich, für die Welt und für die ganze Schöpfung! „Oh glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!“
So lasst uns den Weg in diesen kommenden Tagen mit ihm gehen, damit wir erkennen können, was und wer uns den wahren Frieden bringt!

Ich wünsche Ihnen, auch im Namen von Bruder Thomas und im Namen aller an der Fastenpredigt-Reihe Mitwirkenden, eine gesegnete Karwoche, ein frohes Osterfest und vor allem und in allem eine gnadenvolle Begegnung mit unserem Erlöser und Heiland, Jesus Christus, den wahren und einzigen Sohn des Vaters, des allmächtigen Gottes, der mit dem Sohn und dem Heiligen Geist die maßlos überfließende Liebe ist! Amen.