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Die Heilige Schrift


An der Stadtmauer Jerusalems (Foto: Frieder Blickle, 2002).

Das Wort Gottes in der Heiligen Schrift ist für Christen eine wesentliche Nahrung. Dies gilt besonders für Mönche.

Ur-kunde des Glaubens

Die Bibel spricht von den Erfahrungen, die Menschen in einem Zeitraum von über tausend Jahren mit ihrem Gott gemacht haben. Sie erzählt im Alten Testament von dem Gott Israels, der mit seinem Volk durch Licht und Dunkelheit geht, und sich ihm in seinem Bund endgültig zusagt. Immer mehr erfährt Israel, dass sein Gott der Gott aller Völker ist und empfängt von ihm die Verheißung, dass er einst alle Völker zu seinem himmlischen Mahl versammeln wird.

Das Neue Testament spricht von Jesus Christus. In seinem Leben und in seinem Tod erkennt die junge christliche Gemeinde den endgültigen Einbruch Gottes in die Geschichte jedes einzelnen Menschen. Seine Auferstehung und die Sendung des Heiligen Geistes eröffnen den Menschen aller Nationen und Generationen den Weg zu einer neuen persönlichen Beziehung zu dem lebendigen Gott. So wird die Bibel als ganze zu einer Einladung, selber zu glauben und Freund Gottes zu werden.

Die Schrift lesen und verstehen

Aber die Bibel weiß auch darum, dass Gott und die Erzählungen von seiner Geschichte mit den Menschen nicht selbst-verständlich sind. Vielmehr bedarf sie der Auslegung, damit der Leser Zugang zu ihr finden kann.

Der geheimnisvolle Dritte, der sich den verunsicherten Jüngern auf dem Weg nach Emmaus zugesellt, legte ihnen „ausgehend von Mose und allen Propheten“ dar, was in der gesamten Schrift über den Christus geschrieben steht (vgl. Lukasevangelium 24,13-35). Er erläutert ihnen das, was sie erlebt haben, im Lichte der Bibel und dieses neue Verständnis des Wortes Gottes macht sie bereit, ihn selbst im Brechen des Brotes zu erkennen.

Die Apostelgeschichte erzählt davon, wie der Apostel Philippus auf seinem Weg nach Gaza einem Fremden, einem Äthiopier, begegnet, der laut in der Heiligen Schrift lies. Er stellt ihm die Frage: „Verstehst du auch, was du liest?“ (Apostelgeschichte 8,30) Seine Antwort ist sehr einfach: „Wie könnte ich es, wenn mich niemand anleitet?“ Er weiß, dass die Schrift nicht selbst-verständlich, dass sie der Auslegung bedarf, dass er jemanden braucht, der ihn einführt.

Es gibt viele Zugänge, die Bibel besser zu verstehen. Die Bibelwissenschaft will dazu eine Hilfe sein, indem sie hilft, besser zu verstehen, was der Text sagen will, wo er herkommt, was sein Ziel ist. In der Eucharistiefeier nimmt die Predigt einen herausragenden Ort ein, die Hilfe sein will, die Verkündigung in der Eucharistiefeier auf unser eigenes Leben zu beziehen.
In unserem klösterlichen Leben gibt es vor und neben wissenschaftlicher, geistiger und intellektueller Beschäftigung mit der Heiligen Schrift zwei ganz entscheidende Orte, an denen wir ihr begegnen: In der Feier der Liturgie und in der persönlichen Bibellesung, der lectio divina.

Die Bibel in der Liturgie

In der Liturgie wird das Wort Gottes auf vielfältige Art und Weise gefeiert. Immer wieder hören wir Texte aus der Schrift, singen wir Psalmen und Cantica. Auch die nichtbiblischen Texte des Gottesdienstes enthalten eine Vielzahl von Anspielungen auf die Heilige Schrift. Man kann sagen, dass die Heilige Schrift der Lebensatem der liturgischen Feiern ist. Dadurch, dass wir Mönche uns im Laufe des Tages immer wieder in der Kirche versammeln, um Gottesdienst zu feiern und dass wir auch im Refektorium beim Mittagessen jeden Tag einen Abschnitt aus der Bibel hören, werden die biblischen Texte zu einem Grundakkord unseres Lebens. Die Bibel gibt nicht nur dem Gottesdienst seine eigene Farbe und seinen Klang, sondern einzelne Verse gehen immer wieder im Alltag mit und helfen so, auch bei den vielen Beschäftigungen im Verlaufe des Tages wirklich Gottsucher zu sein.

Lectio Divina – Die Schrift als Quelle der Gottesbeziehung

Eine alte klösterliche Tradition des Umgangs mit der Heiligen Schrift ist die lectio divina. Diese persönliche Lesung der Bibel kommt aus der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes und führt auch wieder zu ihr zurück. Sie ist für uns als Mönche so wichtig, dass wir uns jeden Tag nach dem Abendessen bewusst etwa eine dreiviertel Stunde Zeit nehmen, um sie zu üben. Die lectio divina will nicht zu erst eine „Technik“ oder eine „Methode“ sein, sondern sie will eine Hilfe sein, die Worte der Schrift auf mich selber zu beziehen und so mit Gott selbst leichter und unmittelbarer ins Gespräch zu kommen. Sie hat nicht zuerst eine Erkenntnis des Verstandes zum Ziel, sondern die Vereinigung mit dem Gott, von dem die Heilige Schrift uns kündet.