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Thomas-Komplex

16. April 2023

Seit Jahrhunderten fällt es den Menschen leichter, an Dinge zu glauben, die unkonkret und weit weg sind. Es fällt uns leichter zu sagen "Ich glaube", wenn wir eine theoretische Definition und schöne Ideen vor Augen haben. Auch der Apostel Thomas zweifelte, weil man von ihm verlangte, nicht an eine Idee zu glauben, sondern an einen wirklich auferstandenen und verwandelten Menschen. Hätte man ihm gesagt: "Hör zu, du wirst erlöst werden", hätte er sicher eifrig geantwortet: "Ich glaube es!" Aber ein noch größerer Glaube wurde von ihm verlangt - der Glaube an den auferstandenen Jesus, den Sohn von Maria und Josef, den er kannte und dem er nachfolgte.

Und Thomas wusste ganz genau, dass Jesus erst vor wenigen Tagen gefangen genommen worden war - und sich seinen Peinigern gegenüber wirklich verwundbar gezeigt hatte. Er hat zu Gott geschrien, aber Gott hat ihn nicht vom Kreuz heruntergenommen. So ist er gestorben. Er wurde in Leichentücher gewickelt und begraben. Das Grab wurde mit einem Stein verschlossen. Drei heiße Tage sind vergangen. Thomas weiß, was mit einer Leiche nach drei heißen Tagen und drei schwülen Nächten geschieht.

Gleichzeitig behaupten zehn erwachsene Menschen, dass Jesus wieder zu ihnen gekommen ist. Lebendig. Derselbe. Kein Gespenst, kein Zeichen, kein Symbol, sondern ein lebendiger Mensch. Er hat Fisch und Brot gegessen. Und sie wollen, dass Thomas glaubt. Das ist zu konkret. Es ist fast unmöglich, so zu glauben. Also sagt Thomas: "Nein! Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht."

Thomas war diesen zehn keineswegs unterlegen, er hatte keineswegs weniger Glauben. Sie hatten es gesehen. Deshalb sagten sie: 'Wir haben den Herrn gesehen'. Er - nein, er hatte nicht gesehen. Thomas befand sich wirklich nicht in einer einfachen Situation. Er war der erste, der vor der Aufgabe stand, an das Wort zu glauben, an das Wort des Evangeliums.
Nach langen acht Tagen, in denen Thomas nicht in der Lage war, auf das Wort der Apostel zu vertrauen, waren sie wieder zusammen und Jesus kam zu ihnen. Jetzt konnte Thomas Jesu Hände berühren, konnte die Wunden in seiner Seite berühren. Er konnte den lebendigen Körper berühren. Und er sagte: Mein Herr und mein Gott.

Auch wir gehören zu der Generation Thomas. Es fällt uns leichter, das Evangelium als eine schöne Lehre zu akzeptieren, die interessant und erbaulich, ja sogar aufregend ist. Aber wie schwierig ist es, sie auf das tägliche Leben anzuwenden… Wenn wir mit der Wörtlichkeit des Evangeliums konfrontiert werden, sagen wir oft wie Thomas: Wenn ich nicht sehe, werde ich nicht glauben ...

Was ist also der Schlüssel zu unserem Glauben, was ist die Brücke zwischen unserem Alltag und unserem Glauben? Was befähigt uns, den ungläubigen Thomas-Komplex zu überwinden? Was befähigt uns, über das hinaus zu sehen, was wir anfassen und messen können? Die Antwort liegt in dem Geheimnis der Liebe Gottes. Die österlichen Feiern, die wir erleben, sind keine Feiern des Leidens Gottes, sondern der Liebe Gottes. Denn nicht das Leiden und der Tod erlösen, sondern die Liebe. Und nur durch die Liebe wird uns der Segen des heutigen Evangeliums zuteil: Selig sind die, die sehen und doch glauben!

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Pater Efrem und alle Brüder in Tabgha und auf dem Zion wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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