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Brotvermehrungskirche


Ein judenchristliches Heiligtum

Jesus hat vor allem am Nordwestufer des Sees Gennesaret gewirkt. Viele Heilungs- und Speisewunder und vor allem seine wichtigsten Reden und Predigten haben hier ihren Ort. Darum wundert es kaum, dass die Menschen, die Jesus hier erlebt hatten, diese Erinnerungen wach hielten und weitergaben. Bei allem, was an Jesu Botschaft revolutionär war, war es für diese Frauen und Männer doch auch ein Bestandteil ihres jüdischen, ihres biblischen Glaubens. Zahlreiche heilige Stätten und archäologische Ausgrabungen von Tiberias auf der Westflanke des Sees Gennesaret über das antike Magdala und das berühmte Kafarnaum bis hin nach Betsaida an der Nordspitze des Sees lassen vermuten, dass lange Zeit jüdische und explizit christliche Glaubensinhalte nebeneinander und miteinander bestanden, bevor sich daraus zwei getrennte Religionen entwickelten. – Mittendrin steht die Brotvermehrungskirche in Tabgha.

Die spanische Nonne und Pilgerin Egeria bereist Ende des 4. Jahrhunderts das Heilige Land und hält ihre Eindrücke und Erfahrungen in einem ausführlichen Pilgerbericht fest. In diesem Bericht erwähnt sie auch eine kleine Kirche über jenem Felsblock, an dem „der Herr die Menge mit fünf Broten und zwei Fischen gesättigt“ hat. Diese kleine syrische Kirche aus der Mitte des vierten Jahrhunderts wurde schon im fünften Jahrhundert durch eine weitaus größere und aufwändigere Anlage im byzantinischen Stil ersetzt, wohl auch, um den steigenden Besucherzahlen gerecht zu werden. In dieser Kirche entstehen auch die wunderschönen Mosaiken mit ihren Tier- und Pflanzendarstellungen und geometrischen Figuren, die noch der modernen Brotvermehrungskirche ihren Glanz und Zauber verleihen.


Tausend Jahre Dornröschenschlaf

altes Kloster in Tabgha

Schon im siebten Jahrhundert gerieten der Ort der Brotvermehrung und eigentlich alle heiligen Stätten in Vergessenheit: Mit dem Einfall der Perser im Jahr 614 n. Chr. wurden viele christliche Kirchen und Anlagen zerstört und versanken nach und nach unter Sand und Erde. Lange Jahrhunderte waren weder christliche Pilger noch Archäologen um den See herum unterwegs. Allein die Beduinen, die ihre Zelte auf den Wiesen am Seeufer aufstellten, lebten hier zeitweise mit ihren Herden.

Als die Europäer im 19. Jahrhundert das Heilige Land wieder für sich entdeckten, war es am See Gennesaret vor allem Kafarnaum, die Stadt Jesu, der das Interesse der Kirchenmänner und Forscher galt. Wo sie aber genau lag, wusste niemand. Und so war es mehr oder weniger Zufall, wer welche Grundstücke kaufte. – Der Deutsche Verein vom Heiligen Land jedenfalls hatte letztlich großes Glück, dass er 1889 jenes große Stück Land erwarb, auf dem man dann schon bald das Schmuckstück der byzantinischen Brotvermehrungskirche mit ihren Mosaiken fand.


Eine neue Kirche mit alten Schätzen

Brote und Fische am Mosaik der Brotvermehrungskirche Das Fischmosaik in der Brotvermehrungskirche.

Vollends frei gelegt wurde die ganze Anlage erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Notkirche, die dann zum Schutz der wertvollen Mosaiken errichtet wurde, tat ihren Dienst bis in die 70er Jahre hinein. Doch die Würde dieses Heiligtums und die wachsenden Besucherzahlen riefen immer mehr danach, eine neue Kirche an dieser Stelle zu errichten.

Auf den Grundmauern der alten byzantinischen Kirche und mit den Stilmitteln byzantinischer Kirchenbaukunst erwuchs so eine der gewiss schönsten und in ihrer Struktur klarsten Kirchen im Heiligen Land. Seit ihrer Einweihung am 23. Mai 1982 zieht sie Menschen aus aller Welt an, die sich von den Mosaiken die Geschichten aus dem Tier- und Pflanzenreich erzählen lassen und die besonders in der einfachen Darstellung des Brotkorbs mit den zwei Fischen Gottes überfließende Liebe geradezu mit Händen greifen können. – Und alle wurden satt.