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Was ist das Wichtigste?

28. Oktober 2014

See Genezareth bei Tabgha (Foto: © Sebastian Heide). See Genezareth bei Tabgha (Foto: © Sebastian Heide).

Predigt von Msgr. Ludger Bornemann in Tabgha zum 30. Sonntag im Jahreskreis am 26. Oktober 2014

Was ist wichtig?

Hoffentlich haben Sie alles wichtige eingepackt, liebe Pilgerinnen und Pilger, für alle eventuelle Wetterlagen, gutes Wetter ist wichtig auf der Reise und das man heil wieder nach Hause kommt – und natürlich auch die Kamera, um natürlich alle wichtigen und heiligen Orte festhalten...

Was ist das wichtigste? Für Sie zu Hause heute morgen vielleicht der Wunsch, heute keine Schmerzen zu haben, Gesundheit ist das wichtigste, oder heute Besuch zu bekommen – es wird doch ab heute immer so früh dunkel....

Was ist das wichtigste? Wenige Kilometer von hier, da vorn hinter dem Golan, beginnt syrisches Staatsgebiet. Was ist den Menschen dort wichtig? Und weiter in Jordanien, bei den Flüchtlingen aus Syrien, was ist ihnen heute wichtig?

Hier in Israel ist den Menschen Sicherheit wichtig, vor feindlichen Angriffen; in Gaza ist den einfachen Leuten erstmal wieder ein Dach über dem Kopf wichtig, damit sie leben und überleben können. Freiheit ist ihnen wichtig, werden sie sagen. Und was ist erst für die verwundeten und traumatisierten Seelen der Kinder wichtig, hier in diesen Ländern und in Europa in den Flüchtlingslagern?

Eine alte Antwort?

Die Antwort Jesu auf diese Frage, was ist das wichtigste Gebot, haben wir eben im Evangelium einmal wieder gehört: das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe ist das wichtigste, das wissen wir seit Kindertagen. Nichts Neues also. Nicht einmal für Jesus, denn er zitiert aus seiner Bibel, aus dem, was wir ‚Altes’ oder besser Erstes Testament nennen. Und es scheint ja auch ganz plausibel, das die Liebe das wichtigste ist, die Basis von allem. Aber ob die Leute in Syrien und die Flüchtlinge wo auch immer das noch so sagen können, nach allem was sie durchgemacht haben? Nicht selten ‚im Namen Gottes’ schreckliches erlitten haben.

Es lohnt sich noch einmal genauer, in die erste Lesung hineinzuhören, die stammt aus dem sog. Bundesbuch, mit der Erzählung vom Auszug der Kinder Israels aus Ägypten, aus der Fremde, aus der Unterdrückung in die Freiheit und in ein zu Hause. Vor zwei Wochen erst haben die Juden hier im Land wieder das Fest der Laubhütten gefeiert, Sukkot, zur Erinnerung an diese Flüchtlingssituation: „denn ihr selbst seid Fremde gewesen in Ägypten.“ Heute morgen sitzen wir ja auch unter so einer Laubhütte hier, die uns erinnert an die „Zeltlager“ unseres Lebens...

Der Gott, der um den Fremden weiß...

„Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.“ In unserer Lesung wird an die Leidensgeschichte erinnert, die hinter ihnen liegt. Und als Konsequenz daraus, entsteht dieses Gesetzbuch. Immer wieder taucht diese Erinnerung im Buch Exodus auf. Ein paar Verse weiter hat Martin Luther einmal übersetzt: „Ihr wisst um der Fremdlinge Herz“. Ihr wisst, was es heißt, rechtlos zu sein, heimatlos - und damit zur Ausbeutung freigegeben.

Erinnert euch, ihr wisst, was euch geschah – und wie schnell es euch wieder geschehen kann. Wir Menschen sind doch in einer Schicksalsgemeinschaft aufeinander angewiesen. Was gestern dir geschehen ist, kann mir morgen geschehen.
Ihr wisst das – und Gott weiß es auch: „Wenn er zu mir schreit, dann höre ich ihn, denn ich habe Mitleid.“ Er bleibt nicht auf einem Himmelbett oder einer Wolkenbank – sondern Gott lässt sich berühren und handelt.

...denn Er selbst kommt als ein Fremder.

Ja, Gott weiß es auch: Wenn Jesus hier an den See kam, traf er die Fremden, die über die Via Maris hier vorbeikamen. Ja, er war ja selbst als Fremder aus Nazareth auf Obdach angewiesen in Kafarnaum bei Petrus und seiner Schwiegermutter. Er kennt das: vom Stall in Bethlehem, über die Flucht nach Ägypten; Gastfreundschaft, auf die er immer wieder angewiesen ist. Es bleibt so bis zum Raum am letzten Abend: er kommt als ein Fremder.

Der Glaube sieht da Gott am Werk, wo Jesus sich den Fremden, Armen und Kranken zuwendet, sich von ihrem Schicksal berühren lässt und Mitleid hat. – Ja, mehr noch, da geschieht Gottes Dienst, wo wir uns berühren lassen, wo wir uns einander zuwenden. Ja, da ist der wichtigste Ort, nicht nur im heiligen Land, „wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ – wie auch immer ich da sein werde.

Was ist wichtig? Nicht zu vergessen, das du geliebt bist, das er Mitleid mit dir hat, das er dich hört. Gott lieben heisst doch zuerst auch, sich lieben zu lassen!
Und „ein anderes ist diesem gleich“, wie man den Vers aus dem Evangelium richtiger übersetzen muss: den Nächsten lieben wie dich selbst.

Tabgha – Ein Ort der Gottes- und der Nächstenliebe

Hier in Tabgha erinnert uns die Brotvermehrungskirche daran: „als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid.“ In der Kirche feiern wir im Gebet und Gottesdienst die Erinnerung an seine Liebe und sein Erbarmen.
Und, „ein anderes ist diesem gleich“: in der Begegnungstätte im Garten pflegen wir einen Ort, wo Menschen mit Behinderung, Kinder und Jugendliche, Juden Christen und Muslime Gastfreundschaft erfahren können. Im Pilgerhaus Tabgha bieten Menschen hier aus diesem Land, Juden, Christen und Muslime, den Pilgern und Gästen „Service“ an, das ist im Englischen das gleiche Wort wie für „Gottesdienst“. – Manchmal scheint etwas davon auf, wie „Gottes Dienst“ an uns sich ereignen kann – wie auch immer.

Das ist das wichtigste. Das feiern wir jetzt. Amen.


Der ganze Fernsehgottesdienst ist in der ARD-Mediathek unter diesem Link zu sehen.