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Meldung im Detail


Kirchweifest 2012

07. Oktober 2012

Predigt von Pater Basilius zum Kirchweihfest 2012 (7. Oktober 2012)

Wir feiern Kirchweih. – Wie eingangs erwähnt*, ist es eine eher pragmatische Entscheidung, dass wir diese Feier heute, am Jahrestag der Grundsteinlegung, begehen.

Aber: Wir feiern Kirchweih. Feiern, dass diese Kirche Gott geweiht wurde. Dass diese Mauern einen Raum umschließen und schützen, der damit für die Begegnung zwischen dem suchenden Mönch und Pilger und dem allmächtigen Gott und Herrn reserviert ist. Heiliger Raum.
Auch die Zeit, die wir hier verbringen dürfen, ist damit heilige Zeit: Zeit, die herausgenommen ist aus dem normalen Alltag; Zeit für die Begegnung mit Gott.

Wir feiern Kirchweih, und dies auf den Tag genau 112 Jahre, nachdem der Jerusalemer Weihbischof Pasquale Appodia (der übrigens 1834 in Subiaco geboren wurde, dem Ort, wo der heilige Benedikt eine Zeit als Einsiedler verbracht hat) den Grundstein für die Dormitio gelegt und gesegnet hat.

Platz der Dormitio am Tag der Grundsteinlegung (7. Oktober 1900). Platz der Dormitio am Tag der Grundsteinlegung (7. Oktober 1900).

Auch an jenem 7. Oktober 1900, es war ebenfalls ein Sonntag wie heute, hat man eine Messe gefeiert. Und der Altar scheint unter einem zeltähnlichen Aufbau gestanden zu haben, der sich in etwa dort befand, wo auch heute unser Altarraum ist.

Es muss ein recht heißer Sonntag gewesen sein, denn auf einem der wenigen Fotos, die ich von diesem Tag kenne, sind viele Schirme aufgespannt. Offensichtlich haben sich die Teilnehmer der großen Pilgergruppe aus Deutschland aber nicht gegen den Regen, sondern gegen die Jerusalemer Mittagssonne geschützt.

Unter einem dieser Sonnenschirme, ziemlich genau dort drüben, wo heute unser Benediktsaltar ist, dort stand ein junger Mann aus Elben, heute Gemeinde Wenden im südlichsten Zipfel des Sauerlandes.

Johannes Anton Kaufmann war damals 29 Jahre alt, fünf Jahre vor dieser wichtigen Pilgerreise ins Heilige Land war er zum Priester des Erzbistums Paderborn geweiht worden.

1905 tritt er in die Benediktinerabtei Maria Laach ein, wird Mönch und erhält den Namen Maurus. Maurus Kaufmann kommt dann 1920/21 wieder ins Heilige Land, und wird Leiter des Priesterseminars des Lateinischen Patriarchates.
1926 wird die Dormitio zur Abtei erhoben und Maurus Kaufmann zum ersten Abt ernannt.
1945 wird der Benediktsaltar in seiner heutigen Form geschaffen. Er ist gewissermaßen ein Geschenk zum Goldenen Priesterjubiläum von Maurus Kaufmann, dem inzwischen greisen Abt der Dormitio.

In unserer Klosterchronik steht im Rückblick auf jenen 7. Oktober 1900 geschrieben: „Er [Abt Maurus Kaufmann] hatte damals nicht im geringsten geahnt, dass er der erste Abt des Ordens St. Benedikts an der Stätte Mariä Heimgang sei werde.“

So weit, so gut. Eine nette Geschichte, wie sie das Leben manchmal auch schreibt. – Aber sie lädt auch ein zu fünf Gedanken an diesem Kirchweihfest auf dem Zion:


1.

Kirche Gottes hat immer mit sehr konkreten Zeiten und Räumen und Menschen zu tun:
Unser Grundstein, 7. Oktober 1900, Johannes Maurus Kaufmann und weitere Pilger, hier auf dem Zion.
Unsere Festgemeinde heute am 7. Oktober 2012, in dieser Kirche, wieder auf dem Zion.
*Kirche findet in Raum und Zeit statt. *


2.

Gleichzeitig übersteigt die Kirche Gottes auch immer Zeit und Raum.

Im Geist und in der Wahrheit anzubeten, sagt Jesus, das sollen wir lernen.

Kreuz und leeres Grab haben ihren Ort hier in Jerusalem, aber Tod und Auferstehung des Sohnes Gottes sollen in die Welt hinausgetragen werden zu den Menschen, das ist unser Auftrag. Grenzen, Generationen und Zeiten überschreitend, denn gerade das ist eine der Spitzen der Botschaft der Erlösung durch Christus:
Wir sind in Christi Menschwerdung mitten hinein gestellt in unsere Zeit und unseren Raum. In der Neuschöpfung in Christi Tod und Auferstehung dürfen wir aber auch hoffen und vertrauen, dass unsere Leiden und unsere Wunden von Gott angenommen und geheilt werden.


3.

Dieser aber Weg ist mühsam und schwer, lange und beschwerlich.

Als unser Abt Maurus am 7. Oktober 1900 auf dem Zion stand, da mag er vielleicht ähnlich sentimental, romantisch oder gar wie verliebt gewesen sein, wie es irgendwann die meisten von uns Dormitio-Mönchen waren – oder noch immer sind – und wie es vergleichbar vielen Heilig-Land-Besuchern ergeht.

Als man ihm 1945, im März, gewissermaßen den Benediktsaltar schenkte, war auch Jerusalem vom Zweiten Weltkrieg umbrandet, und hinter Abt Maurus und seinen Mönchen lagen schon etliche Jahre der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen englischer Protektoratsmacht, arabischen Einwohnern und jüdischen Einwanderern.

Aber die schwierigste Zeit seines Lebens kam noch, als unsere Gemeinschaft im Gefolge des 1948er Krieges den Zion verlassen musste, bei den deutschen Borromäerinnen in St. Charles Obdach und Asyl fand und von dort mitansehen musste, wie die Frontlinien um die Dormitio herum verliefen, Kirche und Kloster von der israelischen Armee besetzt und von den arabisch-jordanischen Soldaten beschossen wurden.

Abt Maurus konnte nicht mehr in seine Kirche und sein Kloster zurückkehren, er starb in St. Charles, lange, bevor an eine Rückkehr auch nur zu denken war.

Die Kirche in Raum und Zeit, der Christ auf seinem Weg durch Raum und Zeit hinein in Gottes Reich und Ewigkeit, das ist nicht der Himmel auf Erden.

Das Himmlische Jerusalem, das erwarten wir auch hier im irdischen Jerusalem noch sehnsüchtig. Und wohl nirgendwo auf diese Erde spürt man diese bitter-süße Sehnsucht so stark wie hier.


4.

Doch ich bin mir ziemlich sicher, wenn wir Abt Maurus fragen könnten: Würdest Du es wieder tun?, er würde wohl mit „Ja!“ antworten.

Die meisten Menschen, die einmal ins Heilige Land kommen, lässt dieses Land nicht mehr los.

Viele kommen immer wieder. – Manche bleiben gar und machen sich hier fest. – Und, bei Gott, wir wissen worauf wir uns hier einlassen. Ein Leben in Jerusalem gleicht zu allen Zeiten dem berühmten Tanz auf dem Vulkan.
Aber wir feiern unser Kirchweihfest: Wir feiern, dass es einen Raum und eine Zeit gibt, die uns für Gott gehören, in der wir ganz besonders Gott gehören.

Wo sonst sollte das deutlich werden, wenn nicht hier auf dem Zion: dem konzentriertesten Ort von Sammlung und Sendung im Namen des dreieinen Gottes:

  • Fußwaschung und Abendmahl,
  • Erscheinung des Auferstandenen,
  • Geistsendung und Apostelkonzil
  • und schließlich der Hinübergang der Jungfrau Maria in das Ewige Leben, das uns allen verheißen ist!


5.

Wer sich also darauf einlässt, wer Gott seinen Raum und seine Zeit überlässt, wer Kirche zulässt, der kann etwas erleben.

Anders: Ein Leben im Heiligen Land und schon eine einfache Pilgerreise sind – im besten Sinne des Wortes – alles andere als ungefährlich…

Johannes Maurus Kaufmann aus Elben im Südsauerland würde uns davon sicher erzählen können…


Und wir feiern Kirchweih. – Auf dem Zion, mitten in Jerusalem.
Das gibt allen Grund zur Freude und zur Dankbarkeit.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes Kirchweihfest, und Ihnen, liebe Pilgerinnen und Pilger, noch viele sonnige Stunden hier im Heiligen Land, in denen Sie erfahren dürfen, wie es ist, Raum und Zeit für und mit Gott zu haben.

Hier auf dem Zion und überall, im Geist und in der Wahrheit…


*Da das eigentlich Kirchweihdatum am 10. April oft mit der Heiligen Woche oder der Oster-Oktav kolidiert, nutzen wir diesen „Ausweichtermin” der Grundsteinlegung, um unser Kirchweihfest zu begehen,