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01. Januar 2011

Predigt von P. Basilius Schiel OSB am Oktavtag von Weihnachten und Hochfest der Gottesmutter Maria (1. Januar 2011) in der Dormitio

Es könnte eigentlich ja ein schönes, friedliches Fest sein. – Die neun Monate der Schwangerschaft mit allen Strapazen und Problemen sind überstanden, inklusive der Klärung des Verhältnisses zu Josef. Auch der beschwerliche Weg von Nazareth bis nach Bethlehem ist zu guter Letzt geschafft. Die Unterkunft ist zwar nicht optimal, aber immerhin die werdenden Eltern haben Schutz und Wärme gefunden, und das Kind kommt in einem doch irgendwie behaglichen und geborgenen Umfeld zur Welt.

Danach hätte sich Maria vermutlich etwas mehr Ruhe gewünscht. – Stattdessen aber rücken Hirten und Könige an.

Wie auch immer wir uns diese Geburtstagsgesellschaft vorstellen mögen: Sie werden wohl kaum so andächtig aufgetreten sein, wie wir unsere Krippenfiguren gerne gestalten. Es waren Orientalen, die natürlich betroffen und berührt sein können, die diese Betroffenheit aber auch mit allen, die es wissen wollen, und denen, die es nicht wissen wollen, teilen. Einen gewissen Eindruck davon geben uns die Verse aus dem Lukas-Evangelium. Demnach „eilen“ die Hirten zum Ort des Geschehens. Als sie das das Kind in der Krippe sehen, „erzählen sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war“.

Wenn ein Orientale eine Neuigkeit zu verkünden hat, ist das schon ein Event. Aber hier sind es gleich mehrere, die mehr oder weniger gleichzeitig reden und erzählen. – „Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten“, heißt es weiter. Es waren also noch mehr Leute im Stall oder um ihn herum.
Und für Maria und das neugeborene Kind gibt es keine Ruhe.

Nun fällt es mir schwer, mich wirklich in die Situation einer Frau zu versetzen, die gerade nach neun Monaten Schwangerschaft ihr Kind zur Welt gebracht hat.
Aber ich denke mir, dass jeder von uns mehr oder weniger bereit ist, das Leben in seinen Härten anzunehmen.

  • Es gibt Beziehungsstress, Streit und Missstimmung nicht nur in der Partnerschaft, sondern in allen Formen unserer Beziehungen.
  • Es gibt Dinge, die sich uns entziehen, vor denen wir letztlich machtlos stehen, aus denen wir vielleicht einfach das Beste zu machen versuchen.
  • Es gibt harte und anstrengende Lebensphasen.

Aber wir leben aus der Hoffnung, wenn nicht gar Erfahrung, dass es auch einmal wieder anders, besser werden mag. – Wenn es dann auch mal wieder anders wird.

Und die Geburt hätte ja ein schöner Zeitpunkt sein können. Aber von Ruhe ist im Stall zu Bethlehem erst mal keine Spur. Der Stress geht weiter. Viele Menschen, viele Worte und Gespräche.

Ich fürchte, den meisten von uns wäre an dieser Stelle der Kragen geplatzt.

Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach, (Lk 2,19).

Sie sieht alles, hört alles, bekommt alles mit.

  • Was ihr daran nicht gefällt,
  • was sie stört und ärgert
  • aber auch, was sie freut, tief berührt, vielleicht stolz macht,
  • was sie mit Hoffnung erfüllt oder auch mit Angst:

So richtig erfahren werden wir das nie.

Jedenfalls verdrängt Maria es nicht, vergisst es nicht. Und sie schreibt es auch nicht auf eine große Liste für eine Generalabrechnung irgendwann und irgendwo. – Nein, Maria bewahrt alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. Sie lässt es in die Herzmitte ihres Lebens und bewegt es dort, lässt sich dort von ihm bewegen.

Diese Demut und diesen Gehorsam, diese Fähigkeit zur Unterscheidung und den Mut zur Annahme, das wünsche ich auch uns in diesem neuen Jahr 2011.

  • Wir werden mit Situationen konfrontiert werden, in denen wir das Sprichwort „wie die Jungfrau zum Kind“ benutzen mögen, und in denen wir nicht immer frei und selbstkontrolliert „Ja, so sei es!“ sagen können.
  • Das Leben wird uns auch in diesem neuen Jahr so manchen beschwerlichen Weg entlang schicken. Und wir werden dabei nicht immer auf einem Esel sitzen können und von einem Josef beschützt werden können.
  • Sie werden uns auch in 2011 wieder die Bude einrennen, unsere Freuden und unsere Leiden, sie werden kommen in den stinkenden Schuhen der Hirten und in den goldenen Stiefeln der Könige.
  • Und wir werden bestimmt nicht immer dann Ruhe bekommen, wenn wir sie brauchen, dafür aber einsame Momente, wenn wir uns jemanden an unserer Seite wünschen.

Maria hört alles und sieht alles, bekommt alles mit.
Aber sie lässt sich davon nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Sie bewahrt alles im Herzen.
Dass Lukas diese Aussage über Maria fast unauffällig in seine Weihnachtsgeschichte einfließen lässt, ist zugleich ein Zeugnis von der Größe des Menschen und davon, wozu er in der Lage ist, wenn er sich der Führung Gottes anvertraut.

Wir dürfen und müssen nicht die schönen Edelsteine und die hässlichen Felsbrocken auf unserem Lebensweg ignorieren. Aber auf unserem Weg zu Gott und mit Gott halten sie uns nicht auf.
Gott hat uns unser Leben geschenkt. Und Er hat uns unser Herz geschenkt, das all die vielen Worte aus dem Kopf und aus dem Bauch zusammen zu führen und zu bewahren vermag. Maria, mitten in der schönsten Geburts-Party der Menschheitsgeschichte, ist uns eine Lehrerin und Zeugin dafür.

Und die Leseordnung bestärkt uns darin, dass wir mit Hoffnung und Zuversicht diesen Weg des Glaubens gehen sollen, beschenkt sie uns doch an diesem ersten Tag des neuen Jahres, dem Oktavtag von Weihnachten, dem Hochfest der Gottesmutter und dem Weltgebetstag der Kirche für den Frieden mit dem alten Segensspruch der Priester:

Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.
Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.