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Eine besinnliche Adventszeit!

28. November 2010

Predigt von P. Basilius Schiel OSB am Ersten Adventssonntag 2010, in der Dormitio

Eine besinnliche Adventszeit!

– wünschen wir uns gegenseitig in diesen Tagen. Haben Sie auch schon solche Wünsche geschrieben oder gesagt oder selbst erhalten, liebe Schwestern und Brüder?
Eine besinnliche Adventszeit. Wir denken an dunkle Abende, von Kerzen erleuchtet. Wir denken an Geborgenheit. Besinnlichkeit, Besinnung, Einkehr, Sammlung, Ruhe und Frieden. – Ja, wir wünschen uns besinnliche Adventstage, einander und auch uns selbst.
Doch es genügt ein Blick in die Nachrichten, und es ist vorbei mit der Besinnlichkeit: Angesichts der Situation in Korea und hier im Mittleren Osten denkt kaum jemand an Ruhe und Frieden als reale Möglichkeiten. Und neben dem viel beschworenen und nur allzu gerne zelebrierten Weihnachtsstress gibt es ja tatsächlich in diesen letzten Wochen des alten Kalenderjahres noch viel zu erledigen und abzuschließen. Da braucht es zwar alle Sinne, aber mit Besinnung hat das nichts zu tun.

Und auch unsere drei Schrifttexte an diesem ersten Adventssonntag sind nicht besonders heimelig und besinnlich:

  • Nehmen wir die Bilder aus der Lesung aus dem Propheten Jesaja: Wenn die Völker am Ende aller Tage zum Berg des Herrn strömen, wird das zwar eine Sammlung sein, aber keine innere und innerliche. Wenn ER, der Herr, dann Recht sprechen wird auf dem Berge Zion, stelle ich mir das nicht besonders besinnlich vor. Und ganz praktisch, wenn aus den Schwertern Pflugscharen geschmiedet werden, aus Raketen Wasserrohre und aus Kriegsschiffen Spielgeräte für einen Kinderspielplatz, dann wird das ein ziemliches Getöse und Gehämmere.
  • Auch die wenigen Zeilen aus dem Römerbrief kommen uns eher wie eine Quintessenz asketischen Lebens als das Programm einer Advents- oder Weihnachtsfeier vor. Kurz und nüchtern ermahnt uns Paulus, aufzustehen, wach zu werden, auf die Zeit zu achten. Der Zug ist schon im Abfahren begriffen. Es bleibt keine Zeit mehr für einen letzten Imbiss am Bahnhofskiosk. Es geht los. Jetzt. – Das klingt nicht nur entschieden und entschlossen, das ist es auch. Das verbreitet eine gewisse Sicherheit, denn die Situation ist geklärt und damit auch die Aufgaben und Herausforderungen benannt. Aber mit Besinnlichkeit im weitverbreiteten Sinne hat auch das nichts zu tun.
  • Schließlich die Ankündigung Jesu von der Ankunft des Menschensohnes am Ende der Erdentage, wie sie uns der Evangelist Matthäus schildert: Es beginnt ja schon mit den ersten Worten – „Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“ (Mt 24,29) – und wir wissen, dass auch Jesus uns damit nicht einen besinnlichen Advent wünschen will.

Kurzum: lesen und hören wir die Zeichen des Tages, kommen wir kaum umhin zuzugeben, dass der Advent auf verschiedenen Ebenen keineswegs besinnlich daher kommt.

Wir können diese Erkenntnis aber noch konkreter und spezieller lesen und verstehen: Advent, das meint die Ankunft des Herrn, die Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Herrn. Hier und jetzt und heute. Aber auch morgen und nächstes Jahr und am Ende unseres Lebens und am Ende aller Tage. Vorbereitung auf die Begegnung mit Gott. Und wer sich auf diesen, unseren Gott einlässt, wird nur selten wirklich ruhige und friedliche Zeiten erleben:

  • Wer wacht und betet und darauf achtet, dass das Öl für seine Lampe nicht ausgeht, der wird doch auch einmal müde und unaufmerksam; der wird Enttäuschungen und Frust erfahren, weil es doch noch dauert und immer noch dauert; dem wird die Lampe aus der Hand fallen und zerbrechen – und die Flamme ist aus.
  • Wer sich auf die Ankunft Gottes in seinem Leben und in der Welt einstellt, der wird immer wieder erleben, wie gottesfern und gottesleer unser Leben sein kann. Er wird Scheitern erleben, Krankheit und Not, Sünde und Tod.
  • Wer sich auf Gott einstellt, die innere Kompassnadel seines Lebens auf Gott hin ausrichtet, der wird wachsamer und sensibler für die Welt, und er wird die Differenz zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, immer wieder schmerzlich erfahren. Er wird sich an der Wirklichkeit reiben, weil er spürt, weil er glaubt, dass Gott uns Anderes und Besseres verheißen hat.

Advent, das Warten auf die Ankunft des Herrn, die Begegnung selbst mit IHM – unser Leben: Das hat nichts mit Besinnlichkeit zu tun.


Das ist vielmehr Anspannung und Prüfung, das erfordert Geduld und Wachsamkeit, zugleich Entschlossenheit und Treue.

  • Es scheppert und kracht, wenn wir an Jesaja denken.
  • Es weckt uns mit Paulus aus unseren Träumereien auf und mahnt uns zur Disziplin.
  • Und besinnlich, gar gemütlich, so wie viele unserer Adventswünsche es meinen, wird es bestimmt nicht, wenn wir vor dem Menschensohn stehen werden.

Advent. Ankunft des Herrn. – Das läuft natürlich auf Weihnachten hinaus, auch dieses Jahr.

Mag es auch in unserem Leben und Alltag, in der Politik und in der Weltgeschichte, in diesem Advent 2010 noch so sehr scheppern und krachen, mag es noch so anstrengend und ungemütlich werden, für uns als Christen steht am Ende jene große Verheißung, die auch hier in unserem Apsismosaik über uns geschrieben ist: Die Jungfrau wird einen Sohn empfangen, und er wird Immanuel heißen.

Immanuel. Gott mit uns. Gott mitten unter uns. Mit uns zwischen Kanonenrohren und Pflugscharen. Mit uns, wenn unsere Traumschlösser über uns zusammenbrechen. Mit uns am Ende der Tage.

Immanuel. Gott mit uns. Gotten mitten unser uns. Am Ende dieser Adventswochen stehen wir wieder vor dem Kind in der Krippe und staunen.

Vor einem Kind, das uns wie alle Kinder zunächst einmal voll Vertrauen und vorbehaltlos liebt und das unsere Liebe zu IHM, zu Gott selbst wecken will.

Ein Kind, das unsere Liebe zueinander wecken will, das unsere Liebe zum Leben selbst wecken will.

Zum Leben, das sich entwickeln und wachsen will, wie jedes kleine Kind.

Und insofern, liebe Schwestern und Brüder, lädt uns auch dieser Advent neu ein, dass wir uns besinnen. Dass wir still und ruhig werden und hinhören. Damit wir dem Leben, dem neu entstehenden Leben in uns und in unserem Nächsten Raum geben, eine Herberge, eine Krippe.

In diesem Sinne: Eine besinnliche Adventszeit!