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Meldung im Detail


"...dem einen Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

01. April 2009

Ansprache von P. Basilius Schiel OSB zur Vesper in St. Godehard, Hildesheim, am 1.2.2004

Liebe Schwestern und Brüder,

für die einen war es vermutlich neu, diejenigen, die schon mal mit uns im Kapitelsaal die Laudes oder die Vesper gebet haben, kennen es bereits: In unserer Gemeinschaft vom Berg Zion und von Tabgha beschließen wir den Psalm nicht mit der üblichen Formel:

"Ehre sei den Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.",

sondern mit:

"Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, dem einen Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

Der markanteste Unterschied zwischen der herkömmlichen Formel und unserer liegt in den Worten "dem einen Gott". - Dem einen Gott. Das ist eine Betonung, die man gerade in Jerusalem durchaus setzen darf: Fällt es uns Christen schon schwer genug, mit der Dreifaltigkeit, oder besser: Dreieinigkeit aus Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, umzugehen - nicht umsonst haben sich Bischöfe und Theologen, Synoden und Konzilien die Köpfe darüber heiß geredet, wenn nicht schlimmer… - wenn es also uns Christen schon schwer fällt, um wie viel schwerer müssen sich dann Muslime und Juden mit diesem drei-einen Gott aus Vater, Sohn und Heiligem Geist tun. - Daher "dem einen Gott". Vielleicht eine auf den ersten Blick, sagen wir, verteidigungspolitische Formulierung, um sich nicht dem Vorwurf der Juden und Muslime auszusetzen, wir Christen betrieben irgendwelche Formen von Vielgötterei. Vielleicht.

Aber: Dieses "dem einen Gott" greift tiefer. Und es lohnt sich, darüber noch etwas nachzudenken.

Schauen wir zuerst noch einmal kurz auf das Judentum: Eine der spannendsten Fragen, mit denen sich jüdische Gelehrte aller Zeiten beschäftigt haben, ist die nach dem Namen Gottes. Schon Mose hat ja diese Frage am brennenden Dornbusch gestellt: Wenn ich jetzt zu den Israeliten zurückgehe, um sie aus der Gefangenschaft Ägyptens herauszuführen, so wie du es gesagt hast, dann werden sie mich fragen: Wie heißt denn dieser Gott, der dich zu uns schickt? - Eine ganze Namenstheologie hat sich daraus entwickelt. Und jener Name, der uns Christen oft so leicht über die Lippen geht: "Jahwe", den spricht kein Jude jemals aus, aus Ehrfurcht. Er wird, wann immer er auf diese vier hebräischen Buchstaben stößt, sagen "der Herr", oder sogar nur "der Name". - Und darüber hinaus hat das Judentum auf der anderen Seite viele Namen für Gott gefunden: El Eljon, der Höchste, El Schaddaj, der Allmächtige oder der Allerhöchste, El Olam, der Ewige… um nur einige zu nennen. Und doch wird für jeden Juden gelten, was er mit den Worten aus dem Buch Deuteronomium so viele tausend Male in seinem Leben betet:

"Höre Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig!"

- Dem einen Gott…

Ähnlich ist es bei den Muslimen: Der Koran kennt die 99 Namen Allahs, die ein frommer Muslim immer und immer meditiert, aber die Grundaussage des islamischen Glaubens ertönt fünfmal am Tag in der ganzen muslimischen Welt vom Minarett der Ruf "Allahu akbar" - "Gott ist größer" - als Einleitung der Gebetszeiten, zu denen auch stets die erste Sure des Koran gehört, in der es heißt:

"Dir allein dienen wir, und zu dir allein flehen wir um Hilfe."

- Dem einen Gott…

Immer wieder gab es und gibt es in der Kirche Vereinseitigungen im Gottesbild: Die einen machen Jesus allzu schnell zum Bruder und zum Sozial-Revolutionär, der gegen die Oberen und die Konventionen gekämpft habe. Andere betonen Gott als den ewigen und fernen König, vor dem der Mensch als Sünder niemals Bestand haben könne. Wieder andere meinen, mit dem vermeintlichen Wirken des Heiligen Geistes alle möglichen Ideen und Praktiken erklären zu können. - Es ist keine Frage: Unrecht haben sie alle nicht. Recht haben sie aber doch wohl nur alle zusammen. Denn nur alle zusammen können auch nur annähernd wie ein Mosaik Gott beschreiben: den EINEN Gott.

ER, der Eine Gott - und wir die vielen. Die vielen zerstrittenen Völker. Die vielen in sich verschlossenen und eingekapselten oder ausgeschlossenen, vereinzelten und vereinsamten Menschen. Unser ganzes Leben besteht aus dem Vielen: Viele Fernsehprogramme, viele Marmeladensorten, womöglich auch mehrere Berufsausbildungen und Partnerschaften. - Und in uns: Ich in meiner Familie. Ich im Beruf. Ich im Pfarrgemeinderat. Ich im Sportverein. - Das viele, vielleicht zerstückelte in uns… - Dagegen Gott: ER der EINE.

Bei allem Wandel, bei aller Reform, bei allem Umsturz - in meinem eignen Leben, im Leben der Familie oder Klostergemeinschaft oder Pfarrgemeinde - ER bleibt derselbe und er bleibt der EINE.

Vielleicht ist gerade diese Einheit Gottes das, was Ihn in unseren Tagen des Pluralismus und der Globalisierung auszeichnet: Dass ER der EINE ist.

Und deshalb dürfen wir auch alle Psalmen vor diesem Einen Gott beten, auch in Stellvertretung für andere, die nicht mehr beten können oder wollen: Wir dürfen für sie klagen und dürfen wir sie danken; wir dürfen Gott anschreien, dass Er doch Hilfe bringe, und wir dürfen vor Ihm unsere Sünden bekennen: Dem einen Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

P. Basilius Schiel OSB