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Gottes Vergebungssehnsucht

„Der verlorene Sohn und der barmherzige Vater – die Erzählung über diese Beiden ist der Paradefall der Österlichen Bußzeit; ja, sie ist die Beispielerzählung für unser Leben vor Gott: Abwege und Irrwege, Sackgassen und Umwege, Tiefpunkte und Wendepunkte, Umkehr und Neuaufbruch, Heimkehr und Heilung.

Jeder von uns kann sich in diese Geschichte eindenken und einfühlen, sich mit der einen oder anderen Figur identifizieren, eigenes Erleben und Sehnen wiederentdecken oder Parallelen im Leben anderer erkennen: die Egozentrik und Leichtigkeit des jüngeren Bruders, seine Blindheit für das eigene Leben und das Wiedererlangen des wahren Blickes und die Bereitschaft zur Umkehr; die Barmherzigkeit, Liebe und Weite des Vaters; die Verwirrung, den Neid und die Unversöhnlichkeit des älteren Bruders; die Selbstverständlichkeit und Fraglosigkeit all derer, die mit dem jüngeren Sohn in der Fremde und zuhause feiern; die Sicherheit und der Gehorsam der Tagelöhner des Vaters.
Diese Erzählung mit all ihren Facetten ist ein spannender Wegweiser für unser Gebetsleben in den Wochen der österlichen Bußzeit. Ich, liebe Schwestern und Brüder, möchte unsere Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Satz lenken. Er kommt mir wie eine Brücke besonderer Art in unsere Zeit entgegen.

Es geht um die Antwort des Vaters an seinen älteren Sohn, nachdem der sich bitter über die Großherzigkeit des Vaters gegenüber seinem Bruder beklagt: Der barmherzige Vatet sagt: „Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein“ (Lukas 15,31). Es geht um unsere Sünden und Gottes Vergebungsbereitschaft – vielleicht sollte man besser sagen: Vergebungssehnsucht. Sie ist keine Beliebigkeit, keine Leichtfertigkeit, die über alles hinwegsieht und alles nivelliert. Sie ist eine Einladung zum Angst-freien Vertrauen, zum Erkennen der eigenen Grenzen und Brüche, sie zu benennen und anzunehmen, und dies eben im Zugehen auf den Vater, auf Gott zu bekennen. – Papst Franziskus hat wunderbar passend über Gottes Vergebungssehnsucht in seiner Predigt am Freitagabend gesagt: „Wenn dich deine Sünden erschrecken, wenn dich deine Vergangenheit belastet, wenn deine Wunden nicht heilen, wenn dich deine andauernden Niederlagen demoralisieren und du die Hoffnung verloren zu haben scheinst, dann bitte fürchte dich nicht. Gott kennt deine Schwächen und er ist größer als deine Fehler. Gott ist viel größer als unsere Sünden: Er ist sehr viel größer! Er bittet dich nur um eines: Behalte deine Schwächen und dein Elend nicht für dich; bring sie zu ihm, übergib sie ihm. Dann werden Anlässe zur Verzweiflung zu Möglichkeiten des Neuanfangs. Fürchte dich nicht!“

Die Heimkehr, die Rückkehr zu Gott, ist immer möglich, und wir sollten sie einander immer ermöglichen. Ich denke, das ist nicht nur klerikales Privileg, sondern vielmehr christliche Selbstverständlichkeit und Grundhaltung, denn als Kinder Gottes gilt dieser Satz aus dem Evangelium auch immer uns: „Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.“

Ich glaube, wir sollten sogar noch einen Schritt weiter gehen auf dieser Brücke. – Kleingeisterei, Habgier und Neid, daraus resultierender Argwohn, Hass und Angst sind der Wurzelgrund vieler Konflikte zwischen uns Menschen. Im Kleinen nicht anders als im Großen. Wir müssen seit einem Monat täglich erleben, wozu dieser Wurzelgrund auch im Jahr 2022 noch führen kann, wenn Kindergärten und Krankenhäuser zusammengeschossen werden, die Schwächsten auf der Flucht sind, und viele ihr Leben verlieren.
Liebe Schwestern und Brüder, die entwaffnende Replik des Vaters an seinen aufrüstenden Sohn, klingt in unsere Zeit hinein. Wenn auch nicht ausschließlich, so doch in besonderer Weise zeigt uns der Krieg in der Ukraine, dass die Menschheitsfamilie vor einem großen Umbruch steht und vor enormen Herausforderungen, ihr Zusammenleben neu, fair und gerecht, friedlich und frei zu gestalten. – Dabei kann sich keiner auf einen Sockel stellen, auch wir als Christen nicht.

Vielleicht können wir uns im Vertrauen auf Jesu Wort einen Moment mit dem zweiten Sohn vor die Haustür stellen, um uns einmal mehr vom Vater sagen zu lassen: „Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.“ – Ein realistischer und verantwortungsvoller Blick, ein zugleich demütig-bescheidener und freigebiger, ein heilender und befreiender. Denn eigentlich ist genug für alle da, weil Gott für alle sorgt. ER ist größer, viel größer als unsere Vorstellungen.

„Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.“ Im Blick auf Gott, unseren Vater, und im Namen Jesu ist dieser Satz zumal in dieser Zeit ein beherzter Wegweiser in eine geschwisterliche Gesellschaft, geprägt von Hoffnung und Vertrauen, von Gerechtigkeit und Frieden. Und es liegt auch an uns, dass er für jeden, ausnahmslos jeden wahr und lebenstragend werden kann.“

Pater Basilius und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten 4. Fastensonntag.

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Der liebende Blick

„Der heutige Dritte Fastensonntag wird auch als Sonntag ‚Oculi‘ bezeichnet, und zwar nach dem Introitus dieses Sonntags aus Psalm 25: ‚Oculi mei semper ad Dominum‘. In der deutschen Übersetzung lautet dieser Eröffnungsvers in seiner Gänze wie folgt:
‚Meine Augen schauen stets auf den HERRN; denn er befreit meine Füße aus dem Netz. Wende dich mir zu und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und gebeugt‘ (Verse 15-16).

Der heutige Sonntag lenkt unseren Blick auf den Herrn, von dem wir erhoffen, dass er gnädig nach uns schaut und sich unser erbarmt. Es geht hier eben nicht um ein Glotzen, ein Gaffen, ein Beäugen, ein Starren, ein Stieren, ein Observieren, sondern um ein Schauen - ein sehnsüchtiges Schauen von uns Menschen, das auf einen liebenden Blick des Gegenübers hofft. Wie zwei Verliebte den intensiven Augenkontakt suchen, um dem anderen dadurch möglichst nahe zu sein, so tasten die Augen des Psalmisten suchend nach dem Angesicht Gottes. Er sehnt sich danach, von Gott angeschaut zu werden. Es ist ein hilfesuchender Blick aus dem Gefängnis der Einsamkeit und Niedergeschlagenheit; und zugleich ist es auch das gläubig-vertrauende Ausschau-Halten nach dem Befreier, der nicht enttäuscht.

Eines schwingt hier in großer Klarheit mit: Der Psalmist ist lediglich ein Antwortender; er ist einer, der den Blick erwidert. Der Herr selbst ist nämlich der Erst-Schauende von Beginn an: ‚Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut‘ (Genesis 1,31).

Lassen wir uns in dieser Fastenzeit neu von genau diesem liebenden Blick Gottes anschauen! Lasst uns mit dem Psalmisten den Mut haben, diesen Blick Gottes zu erwidern. Lasst uns darauf vertrauen, dass unser Herr es gut mit uns meint und dass er allein unsere tiefsten Sehnsüchte stillen kann.“

Pater Nikodemus und alle Mönche in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Dritten Fastensonntag!

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Lasst uns drei Hütten bauen!

„Die Verklärung ist doch eigentlich eine Steilvorlage für jeden Architekten. So deutlich wie im heutigen Evangelium wird wohl sonst nirgends architektonisch ausgedrückt, wie dieser Erinnerungsort, diese heilige Stätte, an der das Evangelium kommemoriert wird, auszusehen hat. ‚Lasst uns drei Hütten bauen‘ – so hat Petrus ausgerufen. Nichts leichter als das, wird vielleicht daher der italienische Architekt Antonio Barluzzi gedacht haben: Mit Ende 30 bekommt er einen seiner prominentesten Aufträge: Er soll die Basilika auf dem Tabor bauen, eine Pilgerstätte zu Ehren der Verklärung Christi, eine Kirche zur Kommemoration der Transfiguration. Juni 1924 war die Einweihung dieses beeindruckenden Kirchenbaus im typischen Monumental-Stil seiner Zeit: Mit einer gewaltigen Schaufassade, die anhand dreier Giebel die drei Hütten nachahmen möchte, von denen im Evangelium die Rede war. Besonders bei Sonnenuntergang lässt das strahlend weiße Kirchengebäude, auf dem weithin sichtbaren Berg tatsächlich so etwas wie ein Hauch Verklärungslicht auf die Erde fallen. Auch im Innenraum sollte das Evangelium Stein werden. Barluzzi wollte mit riesigen Alabasterscheiben das Dach der Kirche komplett bedecken und so die starke Sonneneinstrahlung hier zu Land nutzen, um den Kirchenraum in mystisch-goldgelben Licht erstrahlen zu lassen. Etwas vom göttlichen Licht hier auf der Erde erahnen; einmal das Erlebnis Petrus‘, Johannes‘ und Jakobus‘ haben. Leider scheiterte Barluzzis Vorhaben daran, dass damals noch kein wasserdichtes Abdeckmaterial für Alabasterdächer erfunden worden war. Ein gewöhnliches Dach musste her.

Barluzzi hat zur gleichen Zeit auch eine andere Kirche gebaut, die ebenso 1924 eingeweiht wurde: Die Kirche der Nationen in Getsemani. Der zeitgleiche Kirchenbau erstaunt und beeindruckt, gerade wegen dieser doch so komplett unterschiedlichen Aussagen der Gotteshäuser: Das eine steht auf einem Berg und ist die Darstellung des verklärenden Lichts, das andere steht im Kidron-Tal und ist eine Darstellung der dunklen Todesnacht vor der Passion Jesu. Aber, was auf den ersten Blick gegensätzlicher nicht sein könnte, hat doch einen tieferen, inneren Zusammenhang. Lukas erzählt uns über die Verklärung: ‚Mose und Elija sprachen von seinem Ende, dass er, Jesus, in Jerusalem erfüllen sollte‘ – bereits in der Verklärung ist von der Passion die Rede. Zugleich ist mit dem Licht der Verklärung anfanghaft der strahlende Ostermorgen angekündigt: Beide Seiten der göttlichen ‚Schönheit‘, nämlich die Herrlichkeit von Kreuz und Überwindung des Leidens, sind im Bericht der Verklärung angedeutet. Und es ist auch kein Zufall, dass genau die Jünger auf dem Berg bei Jesus sind, die auch im Getsemani bei ihm sein werden: Jakobus, Johannes und Petrus – und beide Male schlafen sie ein. Wie sie die Verklärung fast verschlafen haben, so es ist ihnen auch nicht möglich, eine Stunde mit Jesus in tiefster Todesangst zu wachen. Und doch gehen ihnen auf dem Berg der Verklärung die Augen auf: Sie sehen die Herrlichkeit Jesu. Diese ‚Doxa‘ ist die Vorausschau jener Herrlichkeit, die die Auferstehung offenbaren wird. Doch zuvor müssen in das Tal am Fuß des Ölbergs hinabsteigen und die Passion Jesu mit-leiden. Die Herrlichkeit sehen zu dürfen, soll den Jüngern Mut geben. Es wird ihnen deutlich, dass sie im Augenblick der Todesangst, der äußersten Bedrängnis, nicht nur das Leiden des Erlösers, sondern auch die Verheißung seiner Auferstehung erkennen sollen. Dass Jesus in seiner ganzen Herrlichkeit offenbart wird, das wird dann auch an der Stimme aus der Wolke deutlich, die selbst das Zeichen der Gegenwart Gottes ist: ‚Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören‘.

Im Angesicht der Herrlichkeit ‚faselt Petrus etwas von Hütten, die zu bauen sind; er weiß nicht, was er da redet. Die Hütten werden nicht errichtet. Petrus, der den Mund mal wieder zu voll genommen hat, muss eingesehen, dass er diese Herrlichkeit nicht einfangen kann. Ehe sich die Jünger versehen, ist alles wieder vorbei – und sie schwiegen. Dem Aufstieg folgt nun der mühsame Abstieg ins Tal des Kreuzes.

In einer Predigt lässt der Heilige Augustinus Christus auf dem Berg der Verklärung zu Petrus sagen: ‚Steige hinab vom Berg, um dich zu plagen auf der Welt, anderen zu dienen, Verachtung und Kreuz zu tragen! Das Leben selbst ist auf die Welt gekommen, um getötet zu werden […] und Du scheust vor Mühe und Leid zurück? Such nicht dich und das Deine, lass dich von der Liebe leiten und verkünde laut die Wahrheit.‘ Seine Worte gelten auch uns. Wir können diese wunderbaren Taborerlebnisse in unserem Leben nicht festhalten. So wie Petrus, so musste auch Barluzzi einsehen, dass er das Verklärungslicht architektonisch nicht einfangen kann.

Das Erleben der Herrlichkeit Jesu, das Sehen des göttlichen Lichts hat seinen Ort in unserem Herzen. In unseren Erinnerungen gibt es diese Momente, an denen unsere Begegnung mit der Herrlichkeit Jesu, unserem Herrn und Erlöser, in besonderer Weise zu spüren war. So ein Tabor-Ereignis kann uns niemand nehmen. – und nun schreiten wir voran auf der Suche nach dem Antlitz des Herrn: ‚Dein Antlitz o Herr, will ich suchen.‘ Diese Gottsuche beginnt hier und heute – dafür braucht es keine Hütten und kein Alabaster, dafür haben wir unser Herz. Amen.“

Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten 2. Fastensonntag!

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Provozierend, aber glasklar

„Wir haben mit dem Aschermittwoch einen Weg begonnen, der uns durch die 40 Tage der Fastenzeit in die 50 Tage der Osterzeit hineinführt. Diese Zeit sollte für uns Christen eine Zeitenwende markieren, an deren Ende wir nicht mehr dieselben sein werden. Von der Asche am Aschermittwoch zu den Feuerzungen von Pfingsten spannt sich ein Bogen über unser Leben: von der Vergänglichkeit unseres Lebens, unseren Verflechtungen in diese irdische Welt und unserem Hang zum Egoismus hin zu der Würde als Christen, Träger des Geistes Gottes zu sein. Es soll sich zeigen, wessen Geistes Kinder wir sind.

Das Evangelium dieses Sonntags nimmt uns mit in die irdische Lebensgeschichte Jesu, in seine Sendungsgeschichte. Am Anfang steht: ‚Er wurde vom Geist in der Wüste herumgeführt, 40 Tage lang, und wurde vom Teufel versucht. Als die Tage vorüber waren, hungerte ihn.‘ Wie in einem Brennspiegel wird uns dann direkt in der ersten Versuchung vor Augen geführt, womit sich Jesus auseinandersetzen musste, um seiner Sendung treu zu bleiben. Die erste Versuchung entzündet sich an der menschlichen Not: In der Wüste lernt Jesus den Hunger kennen. Es erwacht der Gedanke, und darin lauert die Versuchung, die Steinwüste in Brot zu verwandeln – ja, er könnte sogar den Welthunger beenden! Diese Erfahrung lenkt den Blick auf den anderen Weg, den Jesus hätte gehen können.

So lange Hunger in der Welt Kinder sterben lässt, Krankheiten, Pandemien Menschen dahinrafft, vielen Völkern das zum Leben Notwendigste ermangelt, gewinnt die Idee an Boden, der alleinige Auftrag der Christen sei es, alles dafür einzusetzen, all diesem Elend ein Ende zu bereiten. Doch Jesus widersteht dieser Versuchung entschieden: ‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!‘ Provozierend, aber glasklar! So sehr der Hunger zum Himmel schreit, so gefährlich wäre es, sich fixieren zu lassen von vielen Übeln dieser Welt und das ‚Mehr‘ aus dem Blick zu verlieren, zu dem sich Jesus verpflichtet weiß und zu dem wir berufen sind! - Ich weiß, das auszusprechen, was ich hier predige, erregt Anstoß! Aber Jesu Wort und sein Leben ist eindeutig: ‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!‘ Und Matthäus fügt hinzu: ‚ …sondern von jedem Wort aus Gottes Mund!‘

Schauen wir auf uns selbst! Mir ist heute gesagt und Jesus lebt es uns vor: Der Mensch lebt nicht von Brot allein! Wie gehe ich mit meinen menschlichen Bedürfnissen um, wenn ich Hunger und Durst habe, wenn sexuelle Lust sich meldet, wenn der Wunsch nach Ansehen, immer gut dazustehen, immer groß herauszukommen, sich breit machen will? Die Art und Weise, wie ich mit meinen Bedürfnissen umgehe, kann zu einer teuflischen Versuchung werden, die mich um die Erfüllung meines eigentlichen Lebens und meiner wahren Sehnsucht betrügt. Die Zeit der 40 Tage vor Ostern will mich hellwach machen, vom Geiste Gottes, von seinem Wort getrieben soll ich alle Winkeln meines Lebens schauen, wo sich die vielen Formen der Selbstsucht und des Bösen breitgemacht haben. Mein Christ-Sein soll ich neu oder tiefer entdecken, um es besser mit denen zu teilen zu können, die mich und meine Hilfe brauchen.

Das Evangelium von den Versuchungen Jesu sind uns Anstoß, um darüber nachzudenken, wovon und wofür wir wirklich leben. Die 40 Tage der österlichen Bußzeit sind uns dafür geschenkt, damit wir bis Pfingsten lernen, wessen Geistes Kinder wir sind.“

Pater Zacharias und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten 1. Fastensonntag!

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Die eigenen Schwächen

„Im antiken Griechenland sagte man: Wenn du die Welt und die anderen Menschen kennenlernen willst, musst du zuerst dich selbst kennenlernen. Das heutige Evangelium erinnert uns nochmals daran, dass es unmöglich ist, einen anderen Menschen mit seinen Tugenden und Schwächen zu verstehen, wenn ich mich nicht selbst in Wahrheit sehe - mit meinen eigenen Tugenden und Schwächen.

‚Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? (...) Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen‘, diese Worte Jesu stehen im Mittelpunkt des heutigen Evangeliums. Er weist seine Jünger darauf hin, dass wir dazu neigen, uns mit eigenen Maßstäben zu messen, unsere Brüder und Schwestern aber mit anderen Maßstäben. Egozentrismus und Selbstsucht verwischen immer die Wahrheit. Manchmal betrachten wir uns und unsere Schwächen durch eine Rosabrille und mildernde Umstände; die Sünden unserer Brüder und Schwestern betrachten wir durch eine Lupe, wie unter einem Mikroskop.

Die kleinsten Fehler der anderen werden groß. Unsere größten Fehler werden kaum wahrnehmbar und immer gut gerechtfertigt. Deshalb fasst Jesus eine solche Haltung unverblümt in einem treffenden Wort zusammen: Heuchler! Wer das Böse in der Welt in anderen bekämpft und das Böse in sich selbst nicht sieht, ist ein Heuchler.
Ein wahrer Jünger Christi beginnt bei sich selbst. Wer seine eigenen Sünden sieht, versteht den anderen und ist in der Lage, auch seine eigenen Fehler mit Respekt zu betrachten. Wer seine eigenen Schwächen nicht sieht, wird die Schwierigkeiten der anderen niemals verstehen.
Deshalb sagt Jesus heute: ‚Denn jeden Baum erkennt man an seinen Früchten: Von den Disteln pflückt man keine Feigen und vom Dornstrauch erntet man keine Trauben. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor.‘ Wer vor allem Andere zur Rechenschaft zieht, kann und wird keine guten Früchte bringen.

Jesus spricht: ‚An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen.‘ Darum ist der Rat des Evangeliums am letzten Sonntag vor der Fastenzeit so wichtig: Mit der menschlichen Schwäche kann man auf zwei Arten umgehen. Man kann sich mit der eigenen Sünde beschäftigen oder man kann sich mit den Schwächen Anderer beschäftigen.“

Pater Efrem und alle Brüder in Tabgha und in Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Christsein ist kein Sonntagsspaziergang

„Jesus fällt wieder mal aus dem Rahmen. Er lehrt nicht nur die zu lieben, die uns lieben; würden wir nur so lieben, dann würden wir nur reagieren und uns im Kreis drehen. Was Jesus lehrt, ist ein Durchbruch. Die Liebe, die er wünscht, ergreift die Initiative, sie kommt dem anderen zuvor. Sie setzt einen neuen Anfang. Sie durchbricht den Kreislauf von Interessenkonflikten und Aggressionen. Sie sieht auch im Feind den Mitmenschen.

So zu lieben, bedeutet nicht, in völliger Selbstlosigkeit aufzugehen. Auch Jesus nennt das Böse böse. Seine Grundeinstellung ist: Gott liebt uns nicht, weil wir so wertvoll sind – nein, umgekehrt. Wir sind wertvoll, weil Gott uns liebt. Das fordert uns Christen und schenkt uns gleichzeitig eine bislang nie gekannte Freiheit. Kinder des himmlischen Vaters zu sein, das kann man sich nicht erkaufen; das ist und bleibt ein Geschenk, das wir nur dankbar annehmen können. Es verpflichtet uns, dementsprechend zu leben. In diesem Bewusstsein stellen wir uns dem heutigen Evangelium.

Jesus geht es nicht um das so vertraute ‚wie du mir, so ich dir‘. Jesus geht es um den Menschen, der aus der Barmherzigkeit Gottes lebt. Weil Gott mit mir barmherzig ist, darf, ja soll oder muss ich selbst barmherzig sein. Das ist eine Quintessenz des heutigen Evangeliums. Vielleicht rät deshalb der Heilige Benedikt seiner Familie - den Benediktinerinnen und Benediktiner, den Oblatinnen und Oblaten - und uns allen, niemals an Gottes Barmherzigkeit zu verzweifeln (Regula Benedicti 7,74).
Im 4. Kapitel seiner Regel, das die Überschrift ‚Die Werkzeuge der geistlichen Kunst‘ trägt, stellt unser Ordensvater Benedikt eine lange Liste von Weisungen auf; allen voran steht das Hauptgebot der Gottes - und Nächstenliebe. Die Mönche sollen diese Weisungen als Werkzeuge gebrauchen, um mit Gott und den Mitmenschen richtig umzugehen. Mit aller Kraft scheint Benedikt das „niemals verzweifeln“ zu unterstreichen: Wir sind mit Blick auf Gottes Barmherzigkeit dazu aufgefordert, niemals die Hoffnung aufzugeben und niemals von der Hoffnung abzukommen.

Wir sollen in unserem Leben Maß nehmen an Gottes Barmherzigkeit. Jesus erwartet von uns, den konsequenten Versuch, Gott durch die Praxis unseres Lebens gerecht zu werden. Das hat nichts mit Überforderung zu tun. Nein, Gott liebt nicht nur die Perfekten. Aus unseren eigenen Erfahrungen im täglichen Umgang miteinander wissen wir, wie schnell wir an Grenzen stoßen und unbarmherzig werden – und diese unsere Menschlichkeit ist Umfangen von Gottes Barmherzigkeit. Als David das Leben König Sauls geschont hat, der ihm feindlich gesinnt war, da hat David schon etwas vorweggenommen, was uns Jesus gelehrt hat: es ist mit Gottes Gnade möglich, sogar dem Feind Gutes zu tun und auf diese Weise das Herz des Gegners von innen her zu verwandeln.

Vielleicht müssen wir als Kirche in der Welt von heute aus dem Rahmen fallen und so Jesus folgen. Die Denk- und Handelsmuster der Welt und unserer eigenen finden an den Worten Jesu ihre Grenzen. Unser Denken und Handeln sollen sich an dem orientieren, was Jesus gesagt und getan hat. Seine Worte und sein Handeln provozieren uns stets neu. Er fordert uns heraus, seine gelebte, göttliche Barmherzigkeit anzunehmen und damit im ganz positiven Sinn zu wuchern. Dieser Sonntag bietet uns eine gute Möglichkeit, dies neu einzuüben und zu praktizieren. Christsein ist kein Sonntagsspaziergang, es ist ein Weg voller Überraschungen und Herausforderungen.“

Pater Jonas und alle Brüder in Tabgha und in Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Standortfrage

„Egal, wo unser ‚Standort‘ im Leben und wie unsere aktuelle Lebenssituation gefärbt ist, entscheidend ist der Glaube an die Nähe Gottes; entscheidend ist unsere Offenheit für die göttliche Wirklichkeit. – Und die biblischen Texte des heutigen Sonntags geben uns die entscheidenden Fragen an die Hand: Wo stehst du? Wo nimmst du deine Lebenskraft her? Worauf baust du, auf wen zählst du? – das sind entscheidende Standortfragen.

Damit unser Leben schön ist, tun wir so manches: wir vertrauen uns Menschen an; wir gehen im Vertrauen tiefe Beziehungen ein. Manch einer oder eine heiraten; wir Mönche sind in dieses Kloster eingetreten und bilden eine monastische Schicksalsgemeinschaft. Nicht nur im privaten Leben, sondern auch in den verschiedensten Erwerbsverhältnissen ist das Vertrauensverhältnis entscheidend für den Erfolg. Wir vertrauen uns auf unterschiedlichen Weisen Menschen an; immer auch damit unser Leben schön wird. – Und in diese Lebenssituation hinein, ruft uns der Prophet Jeremia – mit drastischen Worten – zu: ‚Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut …‘. Zählt jetzt nicht einmal mehr menschliches Miteinander?

Sowohl für Jeremia wie auch für Jesus, der heute in der lukanischen Felrede zu uns spricht, zählen menschliche Zuneigung und Zärtlichkeit, zählen Liebe und Wohlwollen. Doch beide wollen uns helfen, dass wir den rechten Blick bewahren und die Augen offenhalten. Denn wir sehen doch selbst – im eigenen Leben und im Leben der Menschen um uns herum – es macht nicht glücklich, nur auf Irdisches zu bauen: auf Menschen, die ich sehe und auf Reichtum, den ich besitzen kann. Damit das Leben wirklich schön ist, muss es noch anderes geben: Werte, die über diese Welt hinausweisen gehen und nicht vergehen. Ja, ‚gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut / und dessen Hoffnung der HERR ist‘, wie im Buch Jeremia steht.

Es ist für uns Menschen wichtig, dass wir hin und wieder daran erinnert werden – besonders auch dann, wenn unser Leben gut und schön ist. Uns ist noch viel Schöneres, ja Großes verheißen als das Hier und Jetzt! Das führt uns Jesus in seinen Seligpreisungen deutlich vor Augen. In ihnen ist nicht von fremden Menschen die Rede, sondern von uns. Wir sind die Armen, die Hungrigen und die Weinenden. Aber wir sind auch die Reichen, die Satten und die Lachenden. Uns gelten deshalb nicht nur die Seligpreisungen, die uns eher schmeicheln und die Gegenwart Gottes, die Nähe Gottes in Erinnerung rufen. Uns gelten auch die Wehrufe, die uns davor warnen, uns allzu sehr auf menschliche Errungenschaften zu verlassen: auf unser Hab und Gut, auf unsere Einsicht und Klugheit, auf permanent wachsenden Gewinn und immer florierende Geschäfte.

Es zeichnet den gläubigen Menschen aus, ganz in dieser Welt zu sein, doch immer auch darum zu wissen, dass diese Welt nicht alles ist. Wir Christen leben auf die Erfüllung einer wunderbaren Verheißung hin. Wie ich bereits einleitend gesagt hatte: Wo auch immer unser ‚Standort‘, unser Lebensort ist, wie auch immer unsere aktuelle Lebenssituation gefärbt ist, entscheidend ist der Glaube an die Nähe Gottes; entscheidend ist unsere Offenheit für die göttliche Wirklichkeit. Amen.“

Pater Matthias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Fangen und fangen lassen

„Ein markanter Satz trifft Petrus mitten ins Herz. Er lässt alles stehen und liegen, weil Jesus zu ihm spricht: ‘Von nun an wirst Du Menschen fangen‘ – der Fischfänger wird zum Menschenfischer. Wer schon einmal gefischt hat, der oder die weiß: Es bedarf viel Geduld und des Wissens darum, wo man die Fischschwärme findet. Doch Menschen zu fischen, dass klingt eher nach Gewalt und billigen Tricks – jemanden zu fangen, bedeutet jemandem die Freiheit zu rauben.

Als ich noch ein kleines Kind war, spielte ich gerne Fangen und ließ mich auch gerne fangen – denn es war ein Spiel. Und wenn ich es mit meinen Eltern oder meine Schwester spielte, warten, nachdem sie mich gefangen hatten, eine Umarmung und viele Küsse auf mich. Doch schon als Kind lernt man, dass das eigentliche Ziel bei diesem Spiel ist, nicht gefangen zu werden – denn ansonsten verliert man.

Ein Menschenfischer – im christlichen Sinne - zu sein, ist kein Spiel. So wie Fischer oft darüber klagen, dass sie viel ‚gearbeitet‘ haben, aber nichts gefangen haben, so klagen auch viele Eltern, Lehrer, Katecheten und Seelsorger: Unsere Netze sind leer. So ging es schon den Fischern in der Bibel. Wenn die Jünger auf eigene Faust fischen, fangen sie wenig oder nichts. Wenn sie ‚auf sein Wort hin‘ ihre Netze auswerfen, sind sie erfolgreich; die Fische kommen wie von selbst in unglaublich großer Anzahl.
Heutzutage denkt man bei dem Wort ‚Netz‘ eigentlich nicht mehr ans Fischen, sondern eher an Verbindung und Kommunikation. Soziale Netzwerke stehen für die Möglichkeit an Informationen zu kommen und mit anderen verbunden zu sein. Die Kehrseite ist jedoch die Abhängigkeit; manche sind direkt süchtig. Wehe dem, der kein Netz hat, keine Verbindung. Viele geraten dann in eine Krise. Im positiven Sinne ist die Kirche auch ein Netz. Die Gemeinschaft im Glauben hält zusammen. Gottes Ruf, die Begeisterung für Christus und sein Wort führen die Menschen zu der sichtbaren Gemeinschaft zusammen und einen sie. Die Menschen, die von Gottes Wort und Ruf gefangen sind, sind von selbst, ganz ungezwungen und gern ins Netz gegangen. Die Kirche als Netz bedeutet dann nicht Gefangenschaft, sondern Gemeinschaft, Einheit und Leben, ja Lebensmöglichkeiten.

Auch das habe ich als Kleinkind in meiner Familie erfahren. Das habe ich als Jugendlicher in der Kirche in unserem kleinen Dorf erlebt: die Gemeinde kann ein Ort der Freiheit und der Selbstverwirklichung sein - wenn man dem Ruf Gottes folgt.

Wenn Menschen aber spüren, dass sie ins Netz getrieben werden. Durch Zwang oder Drohung werden sie eingeengt. Sie haben Angst und ihnen bleibt nur die Flucht. Viele treten heute aus der Kirche aus. Sie fühlen sich nicht mehr in ihr beheimatet, sie ist ihnen fremd geworden, sie fühlen sich nicht mehr verstanden. Die Menschen erleben die Kirche nicht mehr als ein Ort der Freiheit und der Selbstverwirklichung, sondern sie fühlen sich unfrei, gegängelt und missbraucht. Man kann lange streiten, ob es am Netz selbst liegt, an den Fischern oder an den Fischen – oder irgendwie an allen dreien.

Und wo stehen wir nun als Menschenfinger, als Menschenfänger?

Wir dürfen und sollen niemanden einfangen, belehren oder einschüchtern, sondern ihn und sie durch Gottes Wort zu einem Jünger oder einer Jüngerin Jesu machen. Nicht ich fange jemande, sondern das Wort Gottes, die Botschaft Jesu begeistert. Jesus selbst umwirbt die Menschen. Er spricht die Menschen dort an, wo sie ganz für das Wort offen sind. Sie müssen nicht geangelt oder gegängelt werden. Glaubensverkündigung hat nichts mit Täuschung oder Tricks zu tun. Dort wo Glauben gelebt wird, dahin kommen diejenigen, die Gott suchen, weil er sie ruft.

Wer heute Menschen für Gott fangen will, mus immer wieder die Netze prüfen und ausbessern. Er oder sie muss die Netze offenhalten, damit Fische von selbst kommen. Und das Wichtigste ist: Ich selbst muss ein von Gott Gefischter, damit ich legitim für ihn fischen kann und darf. Dann zählt nicht der Erfolg, sondern es zählt, dass ich dabei sein darf, wenn das Wort Gottes die Menschen anspricht, begeistert und vereint.“

Pater Elias und alle Brüder auf dem Zion und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Die Antwort ist: Gotteskinder

„Wer bin ich? – Eine Frage, die so alt sein dürfte wie menschliches Denken und Empfinden. Eine Frage für die großen Philosophen und für jeden einzelnen Menschen. Wer bin ich? – Nicht: Wer möchte ich sein? Wer sollte ich sein? Wer bin ich für dich, die anderen? Wer soll ich für die anderen sein? Klar und deutlich stellt sich die Frage: Wer bin ich?

Der Anfang einer Antwort liegt im ‚Ich denke‘, ‚ich glaube‘. Es ist eigentlich eine der wichtigsten und natürlichsten Aufgabe von Religion und Glaubensgemeinschaft, besonders der christlichen Kirche und Gemeinde: Dem und der Einzelnen bei der Beantwortung genau dieser Frage zu helfen. Wenn die Kirche mit all ihrem geistlichen und geistigen Reichtum und besonders mit menschlicher und seelsorgerlicher Reife dem Menschen hilft, die Spuren Gottes im eigenen Leben zu erkennen, dann wird dieser Mensch weiter gehen können auf dem Weg, um die Frage zu beantworten: Wer bin ich? – Vor allem die Erfahrungen und Bilder der Bibel können helfen, Finsternis und Dürre, Krankheit und Leiden, Sünde und Tod zu erkennen und anzunehmen - und auch Heil und Fruchtbarkeit, Liebe und Segen. Der und die Einzelne kann im Licht der Geschichten der vielen anderen Gotteskinder auch die eigene Gotteskindschaft besser und tiefer verstehen lernen. Er oder sie wird erkennen, wer er oder sie ist; wird mehr und mehr er oder sie selbst.

Es gibt viele gelungene Geschichten von Gotteskindern, von spannenden Wegen des Heils in befreiten Landschaften im Glauben. – Aber wir wissen auch, dass Kirche immer noch und zu oft Mauern errichtet und Gräben aufreißt, und so eine echte Begegnung des Menschen mit Gott und mit sich selbst verhindert. Wo Menschen an Leib und Geist und Seele missbraucht und entwürdigt werden, wo sie instrumentalisiert, verobjektet und kategorisiert werden, wird ihrer Gotteskindschaft Schaden zugefügt. Und der berechtigten, offenen und lebenswichtigen Frage „Wer bin ich?“ wird die Luft zum Atmen geraubt.

Und, vielleicht gar nicht trivial gerade in diesen Zeiten: Das betrifft jeden von uns! – Gewissermaßen aktiv und passiv. In womöglich verschiedener Weise stehen wir mal an den Mauern und Gräben der anderen, mal sie vor unseren. Das Ergebnis aber ist ähnlich: Gott wird vernebelt, blockiert, geradezu verleugnet. Dies ist die Keimzelle von Sünde und Tod.

Die drei Schrifttexte dieses Sonntags sprechen eine andere Sprache. Alle drei helfen uns, etwas von unsrer Frage „Wer bin ich?“ zu verstehen.

Was Jeremia mit Blick auf seine Berufung zum Prophetenamt zugesagt wird, das dürfen wir sicher auch uns immer wieder durch den Kopf und das Herz gehen lassen: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, […] noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst…“ (Jer 1,5). – In Gottes Gedanken und in Seiner Liebe hast Du schon immer einen Platz. Was auch immer noch kommt in Deinem Leben, wo Du selbst fehlst und fällst, und wo andere an Dir schuldig werden, in all Deinen Grenzen und Schwächen, aber auch in all Deinen Gaben und Segnungen, Du bist mein geliebtes Kind. „Ich bin mit dir, um dich zu retten“ (Jer 1,19).

Wer bin ich? – Ein angenommenes, ein geliebtes Kind Gottes, seit jeher. Vorbehaltlos. – Das dürfen wir einander immer wieder sagen, das dürfen wir uns immer wieder sagen lassen.

Auch Jesus kennt die Frage „Wer bin ich?“. ER ringt damit nicht nur in der Synagoge in Nazareth, sondern bis nach Getsemani und bis ans Kreuz. Aber ER kennt auch die Antwort. Deswegen kann ER sich frei machen von den Außenerwartungen und Projektionen, auch von Vorurteilen und gezieltem Foulspiel. ER kann mit den Sündern und Zöllnern essen. ER kann die Aussätzigen berühren und sich von ihnen berühren lassen. ER liefert sich nicht dem Schubladendenken Seiner Nachbarn und Verwandten in Nazareth aus, kann durch ihre Plattitüden und Gemeinheiten hindurchgehen. Denn ER weiß, wer ER ist. – Genau deshalb liefert ER sich schließlich der schreienden Antwortlosigkeit auf die Frage „Wer bin ich?“ aus: Der Gottes- und Menschensohn folgt den Sündern und Verlorenen bis in die tiefste Sprachunfähigkeit der Sünde und die alles verneinende Anonymität des Todes. Und ER geht durch sie hindurch, lässt sie hinter sich, fasst uns aber an der Hand und zieht uns mit hinaus in das Leben und in die Freiheit der Kinder Gottes.

Wer bin ich? – Wer das eigene Gotteskind in sich entdeckt hat, wird freier von Außenerwartungen. Und er wird gleichzeitig frei vom egozentrischen Eigenwillen. Denn es geht nicht um selbstherrliche Eigenverwirklichung, sondern um Wachsen im Vertrauen auf das Ich, wie Gott es in uns hineingelegt hat: angenommen und frei, geliebt und befähigt zur Liebe.

Und damit geht der Blick auf die Worte des Paulus im Korintherbrief. Viel zitierte Worte, und doch nicht entleert. – All das Große und Bombastische, das Paulus aufzählt, das kennen wir aus Kirche und Politik und womöglich auch aus unserem eigenen Leben und direktem Umfeld. Paulus verwirft es nicht, setzt ihm aber Anderes entgegen: Liebe. Der Blick auf Gott und der Blick auf das verwundete Gotteskind ist ohne Liebe verstellt; das Hinhören auf Gottes Wort und auf den Ruf des leidenden Gotteskindes ist ohne Liebe blockiert.

Wer bin ich? – Mit Paulus dürfen wir an diesem Morgen auch antworten: Nicht einfach das Laute und Publikumswirksame, nicht das äußerlich Schöne und Kraftvolle. – Die ‚rätselhaften Umrisse‘ und das ‚Stückwerk‘, von dem Paulus beim Blick in den Spiegel spricht, die kennen viele Menschen, die an und mit und in ihrer Kirche leiden. Und die Frage ‚Wer bin ich?‘ wird für manchen auf schmerzhafte Weise der erste Baustein einer Selbstrechtfertigung. Aber womit? Und wofür? Was bleibt?
Paulus‘ vielzitierte Antwort ist ebenso demütig und nüchtern, wie sie wahr und stark ist: ‚Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe‘ (1 Korinther 13,13). – Eine ganze Reihe verschiedener Menschen haben uns in diesen Tagen gezeigt, was das für sie konkret im Rahmen der Kirche bedeutet. Sie vertrauen uns allen ihre Lebensgeschichten an. Das sind kostbare und wertvolle Zeugnisse von Gotteskindern. Sie erzählen von Glaube, Hoffnung und Liebe. Mag kommen, was wolle – no matter what.

Wer bin ich? Wer bist Du? – Gotteskinder, die wachsen wollen in Glauben und in Hoffnung und vor allem in Liebe. – Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Pater Basilius und alle Mönche auf dem Berg Zion und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Ein Brief über das Wort Gottes

Für unseren Pater Simeon ist das heutige Evangelium eine Steilvorlage für einen fiktiven Brief des Evangelisten Lukas an Theophilus. Für ihn hatte der Evangelist die Geschichte Jesu, nachdem er allen Berichten sorgfältig nachgegangen war, niedergeschrieben – und sicherlich hatte Theophilus nach dem ersten Lesen viele Fragen. Eine Frage, die auch uns in unserem Glauben immer wieder begleitet – was bedeutet „Wort Gottes“? –, wird sich sicherlich auch Theophilus gestellt haben; und Pater Simeon sucht mit uns im Evangelium des Lukas eine Antwort.

„Hochverehrter Theophilus,
es freut mich, dass Du mein Evangelium und meine Apostelgeschichte, die ich für Dich niedergeschrieben habe, mit so viel Interesse und Zustimmung gelesen hast. Es war nicht einfach allem von Grund auf nachzugehen. Ich habe versucht, mich an die Überlieferung derer zu halten, die Augenzeugen waren, und alles aufzuschreiben. Wie ich am Anfang meiner Jesus-Geschichte schreibe, haben schon viele über die Geschehnisse berichtet und auf diese Weise der Nachwelt die überwältigenden Ereignisse, die damals passiert sind, weitergegeben. Aber weil Du darum gebeten hattest, deswegen bin ich der Frohen Botschaft von Grund auf nachgegangen.

Ja, so wie Du, so bin auch ich von Jesus Christus, dem Gottessohn, von seiner Botschaft und seinem Auftreten im Innersten berührt. So konnte ich gut verstehen, dass Du etwas mehr Zuverlässigkeit, etwas mehr sichere Tatsachen, über Jesu beeindruckende Lehre, von der Du schon so viel gehört hast und die Du selbst auch weitergeben möchtest, erlangen wolltest.

Nun, nachdem Du das Evangelium und die Apostelgeschichte gelesen hast, fragst Du mich in Deinem letzten Brief danach, was genau ich unter dem Wort Gottes verstehe. Ich schreibe ja, in meinem Prolog zum Evangelium, dass ich mich an die ‚Augenzeugen und Diener des Wortes‘, des Wortes Gottes gehalten habe. Um es gleich vorwegzusagen, möchte ich diesen Brief, den ich Dir von Athen aus schicke, in keiner Weise gleichwertig ansehen mit den beiden umfangreichen Werken, die ich Dir zukommen ließ. Nein, diese Werke sind im Gebet entstanden – gleich als ob eine unsichtbare Hand meine Feder geführt hätte – und es freut mich zu hören, dass sie sogar hier und da im Gottesdienst Verwendung finden. Sie sind in der Tat Frohe Botschaft von Jesus Christus, dem Gottessohn! Nun aber geht es um die Auslegung des Geschriebenen.

Um zu verstehen, was dieses Wort Gottes ist, möchte ich Dich auf das vierte Kapitel meines ersten Buches verweisen. Ich denke, hier wird besonders deutlich, was ich Dir heute vermitteln will. Was ist das Wort Gottes? Eine Antwort findet sich in Jesu erstem öffentlichen Auftreten. Er steht in der Synagoge in Nazareth und sagt: ,Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt‘ (Lukas 4,21). Die Schriftrolle mit dem Buch des Propheten Jesaja war Jesus gereicht worden. Er musste nicht lange suchen, bis er die entscheidende Stelle gefunden hatte. Es ist die göttliche Heilsverheißung, die vom Messias, den Jesaja ankündigt, verkündet wird. ‚Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.‘ Diese frohe Botschaft - dieses Heilswort - ist die Zusage der Verwandlung der Situationen der Bedrängnis in eine Zeit des Heils. Die Heilszeit ist da. Ja, Jesus ist selbst dieses Wort des Heils; in ihm ist es Fleisch geworden. Die Heilsverheißung hat sich erfüllt in einer Person. Glaubst Du das, Theophilus? Kannst Du es Dir vorstellen?

Nun wirst Du sagen: ‚Ich sehe das nicht. Ich bin weder Augen- noch Ohrenzeuge. Ich sitze heute in meiner Gemeinde und nicht in der Synagoge von Nazareth. Ich kann mich nur auf die Berichte der zweiten oder dritten Generation stützen.‘ Und Du fragst sicherlich: ‚Wie kann ich trotzdem heute glauben – an dieses Wort Gottes?‘ Die Antwort liegt in der Überlieferung der Kirche, in der Du unterrichtet wurdest. Ich bin überzeugt, dass Tradition weitergegeben wird, durch diejenigen, die sich in Jesu Namen versammeln – von Generation zu Generation durch die Jahrhunderte. Unser Glaube baut nicht auf Mythen auf, sondern auf geschichtliche Ereignisse. Was in der Kirche geglaubt und gelebt wird, hat seinen Urgrund in Jesus Christus, der damals das Wort in Nazareth sprach: ‚Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt!‘

Es braucht auch heute Dienerinnen und Diener des Wortes, damit diese Wort Gottes weitergegeben werden kann. Dann bin ich überzeugt, dass ER, das lebendige Wort, auch weiterlebt inmitten seiner Gemeinde, inmitten seiner Gläubigen – und sich das Heilswort auch heute erfüllt. Als Diener des Wortes, hochverehrter Theophilus, bist Du dann in der Tat, das, was dein Name ausdrückt, ein Gottesfreund. Möge auch ich ein solcher werden. Nur Mut, lieber Gottesfreund! Ich grüße dich mit einem heiligen Gruß in Christus Jesus. Dein Bruder im Glauben, Dein Lukas“
Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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