Unser Name ist Petrus
27. August 2023
Es war das erste Mal, dass ein Papst vor dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf sprach; zum ersten Mal überhaupt, dass ein Papst die Stadt des großen Reformators Johannes Calvin betrat: vor über 50 Jahren, im Jahr 1969. Paul VI. rief dem versammelten Rat der Kirchen im damals noch üblichen Pluralis Majestatis entgegen: „Unser Name ist Petrus!“ Diese Worte, die aus heutiger Sicht von einem vielleicht überzogenen Sendungsbewusstsein des Bischofs von Rom zeugen, war damals, zu Beginn der ökumenischen Bewegung aus römischer Sicht lediglich die Darlegung des Selbstverständnisses Roms gegenüber den anderen christlichen Kirchen. Unmissverständlich und ganz offensichtlich klingt in diesen Worten der Satz aus dem Matthäus-Evangelium an, der im heutigen Evangelium hören ist, und der seit über 500 Jahren das Innere des Petersdoms in Rom in überdimensionalen Lettern schmückt. Jesus Christus selbst hatte ja den Fischer aus dem Dorf Bethsaida beauftragt: „Du bist Petrus, Felsenmann, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen.“
Doch diese Beauftragung des Petrus fällt nicht vom Himmel. Ihr geht ein deutliches Bekenntnis desselben, also des Petrus, voraus. Und zwar eines, das auf die Frage an alle Jünger, „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“, sprich, „Was glaubt ihr denn, wer ich bin, ihr, die ihr mir gefolgt seid?“, antwortet. Dem Petrus kommt schon durch seine Antwort, als Sprecher der Jünger, eine Art Führungsrolle zu, mit dem, vielleicht eher zaghaft und suchend als sicher formuliertem Bekenntnis: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Doch diese Haltung für andere zu antworten und dann die zukünftige Aufgabe des Petrus das Fundament zu bilden, auf dem die Verkündigung der anderen aufbauen kann, diese Funktion, die ihn vielleicht auch für den Moment vollkommen überfordert, was macht sie mit den anderen Jüngern? Natürlich kann sie zu einer herausfordernden Reibungsfläche werden. Sie könnte sogar für die anderen zu (mindestens) zwei, geradezu verhängnisvollen Haltungen führen: Zum einen könnte es da ein Zurücklehnen geben, das zu Desinteresse, ja zu einer Teilnahmslosigkeit führt, frei nach dem Motto: ‚Dann soll er mal machen, er, der sich mal wieder nach vorne drängt.‘ Auf der anderen Seite, könnte es zu einer Haltung der Eifersucht, des Nach-oben-Schielens kommen: ‚Warum denn eigentlich schon wieder Petrus? Warum denn nicht mal der Andreas, oder der Philippus? Warum eigentlich nicht ich?‘
Doch bevor sich hier jemand zurücklehnt oder sich voll Eifersucht verzehrt, wenn es um die Sache Gottes geht, um die Sache dessen, der ganz barmherzige Liebe ist, der beachtet nicht, dass dieses Wort des Petrus das Bekenntnis aller Jünger nur ein paar Kapitel zuvor in Erinnerung ruft, ja lediglich wiederholt. Angesichts des Seewandels Jesu und der Rettung des Petrus hatten alle Jünger im Boot bekannt: „Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du!“. Durch diese direkte Aufnahme der ‚allgemeinen‘ Jüngermeinung durch Petrus wird noch einmal unterstrichen, dass es nicht so sehr um ein persönliches Bekenntnis des Petrus, sondern vielmehr um ein nochmals neu aufgelegtes Bekenntnis der Jünger durch ihren Sprecher Petrus geht. Dieses Bekenntnis können alle die Jünger mitsprechen, die Jesus Christus gefolgt sind.
Und ein zweites: Zur Beauftragung des Petrus gehört seine gesamte herausfordernde Geschichte: Von der Angst auf dem See über das Bekenntnis bis hin zur Verleugnung. Gerade dieses Versagen des Petrus wird hier in der Nachbarschaft des Zions, in St. Peter in Gallicantu uns besonders anschaulich vor Augen geführt. Am Ende ist das glasklare Bekenntnis hoch im Norden des Landes, weit weg von Jerusalem, in Cäsarea Philippi, tatsächlich in weite Ferne gerückt und fast schon vergessen. Doch Jesus, der Petrus besser kennt, als er sich selbst, sieht in ihm, einen wirklichen Zeugen seiner Botschaft – gerade, weil Petrus sich selbst immer wieder damit auseinandersetzen muss! Petrus, ist der Kleingläubige, doch auch der Mutige, der Bekenner und doch der Verleugner. Spiegelt das nicht auch unser aller Leben wider? Höhen und Tiefen, Zweifel und felsenfestes Vertrauen? Wenn Petrus durch sein eigenes Leben bezeugen kann, wie Gott in Jesus seiner Barmherzigkeit, seiner Liebe und seinem Verzeihen Ausdruck verliehen hat, geht das dann nicht auch uns an? Wir könnten dann auch, vorsichtig, tastend, doch glassklar mitsprechen: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Vielleicht hatte Paul VI. also doch recht: „Unser Name ist Petrus.“ In gewisser Weise sind wir alle sind (wie) Petrus und können beten:„Herr erwecke deine Kirche und fange bei mir an. Herr, baue deine Gemeinde und fange bei mir an. Herr, bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.“
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Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!