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Frieden auf Erden!

24. Dezember 2022

"Liebe Schwestern und Brüder!

Dass ich Euch und Sie als meine Brüder und Schwestern anrede, hängt mit der Botschaft dieser Nacht und unseres Christseins zusammen. Durch die Geburt des Menschenkindes in Betlehem sind wir alle durch Krippe, aber auch durch Kreuz und Auferstehung Schwestern und Brüder geworden – allen menschlichen Grenzen zum Trotz! Und die Weihnachtsbotschaft, die die Engel verkünden, gilt uns allen, liebe Brüder und Schwestern, die wir uns in diesem Jahr, wie schon lange nicht mehr, nach Frieden sehnen: ‚Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.‘

In all den vergangenen Jahren standen vermutlich eher persönliche Wünsche und Sehnsüchte im Vordergrund, die ihre Berechtigung ja auch in diesem Jahr nicht verloren haben: wie Bitte um Gesundheit, Sorgen um das eigene Wohlergehen sowie auch das der Eltern, der Kinder und der Freunde. Aber in diesem Jahr hat sich unser Blickwinkel geweitet und wir verstehen und erleben viel intensiver, dass die Weihnachtsbotschaft eine universale ist: Frieden auf Erden!

Durch die Ereignisse des zurückliegenden Jahres – und hier steht für mich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Vordergrund – bekommt unsere Weihnachtsfeier mit guten Wünschen und Geschenken eine andere Tiefe und eine neue Perspektive. Wir dürfen Weihnachten nicht feiern ohne an die Not, Vertreibung, Zerstörung und den Tod unzähliger Menschen zu erinnern. Ein ukrainischer Christ schreibt in seinem Gruß: „Vielleicht ist das Licht einer Kerze die einzige Licht- und Wärmequelle an diesem Weihnachtsfest.“

Der Traum und die Botschaft der Propheten, der mit der Geburt Jesu zur Welt kommt, gewinnen an Dringlichkeit und Intensität. ‚Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht.‘ Die Weihnachtsbotschaft pflanzt eine Sehnsucht in unsere Herzen, die sich nicht mit vordergründigen Lösungen zufriedengibt. Die Weihnachtsbotschaft ist keine Vertröstung auf ein Irgendwann, sondern sie setzt jetzt auf die Kraft der Hoffnung, die sich niemals einschüchtern lässt. In den aktuellen Nachrichten aus dem Krieg in der Ukraine gehen mir immer wieder besonders die Worte von Jung und Alt, die trotz Zerstörung und Entbehrungen, Kälte und Hunger vom Wiederaufbau sprechen und ihre Hoffnung auf Zukunft in der Ukraine nicht aufgeben, zu Herzen. Die Kraft der Veränderung wächst von unten. Sie gründet in einem Gottvertrauen, das konkrete Schritte nicht aufschiebt – aber sich zugleich der Vorläufigkeit allen menschlichen Handelns bewusst ist.

Hirten, die zur Krippe kommen – und da sind gewiss auch Hirtinnen darunter gewesen, wie unsere Krippendarstellung im Pilgerhaus deutlich macht – sie lehren uns dieses Gottvertrauen, das im Kleinen das Große sieht. Der wahre Gott will wahrlich nicht hoch hinaus, sondern geht tief hinab! Vordergründig wird sich damals an Lebens- und Arbeitsbedingungen nichts geändert haben am Tag danach. Aber etwas hat sich in den Menschen verändert: ‚Fürchtet Euch nicht! Heute ist Euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist Christus, der Herr‘. Natürlich ist dieses Heute auf ein Ereignis vor 2000 Jahren gerichtet; und doch ist es zugleich ein Wort, dass in unser Heute hineingesprochen ist und uns auch heute Mut zusagen will für unser Leben, unsere Aufgaben und unsere Verantwortungen.

Diesen Retter, den die Engel verkündeten, feiern wir heute: das Kind einfacher Leute, das keine Throne an sich reißt, keine Söldnerheere befehligt, und keine Kriege anzettelt, keine Schätze für sich und die Seinen zur Seite bringt, sondern ein Leben der Hingabe führen wird von der Krippe bis zum Kreuz. Krippe und Kreuz sind aus demselben Holz geschnitzt. Wir dürfen Weihnachten nicht feiern, ohne zu bedenken, dass dieser Weg von der Krippe ans Kreuz und in die Auferstehung führt, darauf gründet unsere Hoffnung. Das ist der neue Ton, den Gott in unser Leben bringt: ‚Die Herrschaft wurde auf seine Schultern gelegt.‘ – seine Herrschaft ist aufgerichtet durch Liebe, aufgebaut auf gegenseitigen Beistand und ein Vertrauen, das sich auch durch Rückschläge nicht unterkriegen lässt.

Der Lebensweg Jesu läuft manchen unserer Denkmuster zuwider und fasziniert doch bis heute und spornt viele an, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen. Wenn wir in dieser Nacht seine Geburt feiern, dann erfahren wir, dass Gott bei uns ist und wir zusammen mit Israel sein Volk sind. ‚Gott hat sich für uns hingegeben, damit er uns von aller Ungerechtigkeit erlöse und für sich ein auserlesenes Volk schaffe‘, so haben wir es in der 2. Lesung aus dem Titusbrief gehört – und Gott sich nicht nur uns, sondern für alle Menschen hingegeben: ‚Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten‘. Weihnachten ist eine Hoffnungsgeschichte. Wir sind Teil davon, wie Jesaja, die Hirtinnen und Hirten, Maria und Josef und im Zentrum die Hoffnung schlechthin, das menschlich-göttliche Kind. An Weihnachten feiern wir diese Geschichte, weiten unseren Horizont und schöpfen neue Hoffnung. ‚Hoffnung ist ein großes rundes Brot, das man zusammen essen muss, erst dann wird man satt‘, schrieb schon so passender der Theologe Fulbert Steffensky.

Seit Gott in Beit-Lechem, im Haus des Brotes, als Mensch geboren wurde, ist keine Nacht mehr so finster, dass sie nicht den Keim und die Verheißung eines neuen Lebens in sich birgt. Gleich empfangen wir in der Eucharistie das Brot des Lebens hier am Ort der Brotvermehrung. Er selbst begegnet uns in diesem kleinen Brot, damit wir so genährt Leben teilen, ‚erst dann wird man satt‘ - das ist die Botschaft von Tabgha auch an Weihnachten. Was in Betlehem begann führte ans Kreuz und zur Auferstehung, seine Hoffnungsbotschaft und seine Hingabe aus Liebe, seine Hinwendung zu den Menschen ist sein Geschenk an uns, damit wir, liebe Schwester und Brüder, das Leben und den Frieden Gottes in Fülle haben.

Frohe Weihnachten, Merry Christmas, Milad Majid!
Amen.“

Pater Jonas und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch eine friedvolle Heilige Nacht!

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