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Ohmächtige Herrschaft?

20. November 2022

„‚Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!‘ – diese Worte des sogenannten ‚Guten Schächers‘ gehen zu Herzen. Sie zeigen, jemand hat zutiefst verstanden, was hier, im Augenblick der Kreuzigung Jesu, geschieht. Sie sind ein ‚Last-Minute-Credo‘. Kurz vor dem eigenen Tod bekennt sich der Verbrecher zu Jesus als wahren Herrscher, der ein Reich besitzt, das ganz anders ist - ein Reich, das eben nicht von dieser Welt ist oder auf menschliche Macht aufbaut, die viel zu oft missbraucht wird.

Der Gute Schächer durchbricht mit seiner Glaubens-Einsicht die Reihe von vorangegangenen Verspottungen. Drei verschiedene Personengruppe stehen am Kreuz und verlachen Jesus, der ans Kreuz geschlagen ist. Da sind zum einen ‚führende Männer des Volkes‘, dann die ‚Soldaten‘ und schließlich einer der Verbrecher: Dreimal wird Jesus verlacht, verspottet, verhöhnt; dreimal wird Jesus aufgefordert, dass er sich selbst retten soll, dass er sich selbst aus dieser todbringenden Lage befreien soll. Welches andere Zeichen wäre nämlich geeigneter, um zu zeigen, dass er der Messias, der Retter der Welt, ist? Ein König hat doch Macht sich selbst zu retten! Das, was über dem Kreuz in allen bekannten Weltsprachen geschrieben steht: ‚König der Juden‘, soll das nicht für alle Welt sichtbar gemacht werden am Kreuz?

Der Gute Schächer verspottet Jesus nicht. Er weist den anderen, spottenden Verbrecher zurecht, denn er glaubt, dass Jesus unschuldig ist. Er glaubt, dass Jesus der wahre Gesalbte, der in der Ohnmacht am Kreuz seine wahre Macht zu erkennen gibt, ist. – ‚Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!‘
‚Dein Reich‘ kann nur jemand sagen, der versteht, dass Jesu Leben mit dem sicheren Tod am Kreuz nicht zu Ende ist. Die Rede vom ‚Reich‘ ist Ausdruck des Glaubens an Jesus als den Christus, der von Gott als König des himmlischen Reiches eingesetzt ist.

Jesus ist all das, was man ihm in den vorangegangenen Spott zuruft, aber nicht in der erwarteten Weise: Er ist der König, der von seinem Reich, dem Reich Gottes, spricht. Aber dieses Reich wird regiert von Liebe und Gerechtigkeit, nicht von Machtansprüchen und politischen Forderungen. Er ist der Christus Gottes, der die Heilszeit Gottes sichtbar macht, doch kommt sie unerwartet und unscheinbar: in Heilungen und Wundern, in Worten, die Menschen aufrichten, die ermutigen und herausfordern, in einem Leben, das den Menschen dient. Jesus regiert, indem er den Menschen dient, ihnen neues Leben schenkt und sie in Liebe und Gerechtigkeit zusammenführt. Und Jesus zeigt seine Macht gerade nicht mit einer Durchsetzungskraft, die anderen schadet oder sie entmündigt. Er zeigt seine Macht, indem er sich wehrlos dem Spott, dem Unverständnis und dem Hass aussetzt.

Wenn wir diese ganz andere Königsherrschaft Jesu Christi heute feiern, sind wir zugleich aufgefordert Position zu beziehen und Partei für unseren Herrn und König Jesus Christus zu ergreifen: Sind wir bereit uns auf diese Form einer ‚ohnmächtigen Herrschaft‘ einzulassen? Sind wir bereit uns Christus als demjenigen anzuvertrauen, der seine Macht in der Ohnmacht des Kreuzes zeigt? Und wie gehen wir selbst mit der Macht um, die uns über andere geschenkt ist? Was bekennen wir, wenn wir beten: ‚Dein Reich komme‘?

Zu Beginn der Benediktsregel sind es die starken und herrlichen Waffen des Gehorsams, die es zu ergreifen gilt, um dem wahren König, Christus, zu dienen: Gehorsam gegenüber Gott, gegenüber den Mitmenschen. Und alles beginnt mit dem Hören… . Niemand sagt, dass es leicht ist. Es werden Rückschritte und Niederlagen kommen; es wird ständige Übung und Bekennermut verlangt – im Alltag, im Klein-Klein. Doch am Ende wartet das Paradies. Lasst uns den Glauben des guten Schächers haben, der in der Ohnmacht Jesu am Kreuz die Herrlichkeit des Königtums Christi erkannt hat. Er hat in der letzten Minute seines Lebens eingesehen, dass sich das Reich Gottes im Dienen, in der Unansehnlichkeit, im Kleinsten und nicht im Sensationellen zeigt; und ‚Jesus antwortete ihm: Heute noch, glaube mir, wirst du bei mir sein im Paradies.‘“

Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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